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Ceta oder nicht Ceta? Vorerst wird das Freihandelsabkommen mit Kanada nicht unterschrieben. Die Belgier haben nun bis zum Jahresende Zeit, das Vertragswerk auf Herz und Nieren zu prüfen.

Foto: Reuters / François Lenoir

Die EU will den Zeitplan für den Freihandels- und Investitionspakt der EU mit Kanada (Ceta) einhalten. Am Montagabend, als bereits von der Absage des Gipfels am Donnerstag ausgegangen worden war, wendete sich das Blatt erneut. EU-Ratspräsident Donald Tusk gab überraschend bekannt, dass er mit Kanadas Premierminister Justin Trudeau vereinbart habe, den Gipfel-Termin nicht zu kippen: "Wir rufen alle Parteien auf, eine Lösung zu finden", teilte Tusk mit. Es bleibe noch immer Zeit.

Davor hatte die belgische Regierung unter Premierminister Charles Michel mitgeteilt, Ceta wegen innenpolitischer Widerstände nicht zustimmen zu können. Es sei nicht gelungen, mit allen Regionen und Sprachgruppen eine Einigung zu erzielen.

Konkret sollen die Flamen und die Deutschsprachigen im Osten zugestimmt haben, die Wallonen im Süden sowie die Region Brüssel hingegen nicht. Die 3,6 Millionen Einwohner zählende Wallonie verlangte bis zuletzt vor allem Zusicherungen zugunsten ihrer Landwirtschaft und Änderungen an Vereinbarungen zur Streitschlichtung zwischen Unternehmen und Staaten. Belgiens Außenminister Didier Reynders darf auf EU-Ebene in solchen Fällen jedoch nur dann zustimmen, wenn er von allen Regionalpremiers die Ermächtigung bekommt. Für einen Beschluss in der EU wiederum ist das Ja aller 28 EU-Staaten nötig.

Wallonen lehnen Ultimaten ab

Bereits Montagfrüh hatte es aus dem Büro des wallonischen Ministerpräsidenten Paul Magnette (SP) geheißen, man lehne "Ultimaten" und Druck der EU auf eine demokratische Entscheidung ab. Seine Region brauche noch Zeit, es gebe keine Probleme mit Kanada, aber mit den EU-Partnern. Als dann auch der Parlamentspräsident im wallonischen Regionalparlament in Namur, André Antoine, ein Christdemokrat, via RTL erklärte, dass man "bis Jahresende" Zeit brauche, um das umfangreiche Vertragswerk zu studieren, schien das Veto klar.

Die EU-Kommission hat sich öffentlich zurückgehalten, während ihre Verhandler praktisch rund um die Uhr mit den verschiedensten Akteuren in Belgien Gespräche führten. Ein Sprecher sagte zu Mittag, man brauche eben noch "Geduld" für die innerbelgischen Abläufe.

Intern wurden zu dieser Zeit aber bereits Vorbereitungen für eine Verschiebung des EU-Kanada-Gipfels getroffen. Dieser Plan B sah vor, nur von einer vorläufigen Absage zu sprechen, weil der wallonische Premier betont hatte, Ceta sogar ausdrücklich zu wünschen. Der Kanada-Gipfel sollte in einigen Wochen doch stattfinden, sobald man sich mit den Belgiern auf einen Modus geeinigt hätte.

Kompromiss unklar

In dieses Hin und Her platzte am Montagabend dann Tusks neuer Aufruf, bis Donnerstag weiter zuzuwarten. Wie ein Kompromiss bis dahin noch zustande kommen könnte, war zunächst aber keineswegs klar. Damit geht das tagelange Ringen um das Abkommen für rund eine halbe Milliarde Menschen dies- und jenseits des Atlantiks in seine nächste Runde. Befürworter erhoffen sich von dem Pakt Wirtschaftswachstum durch Abbau von Zöllen und Handelshindernissen. Kritiker fürchten hingegen die Aushöhlung europäischer Standards.

Aber auch, wenn die nun doch wieder für Donnerstag angepeilte Unterzeichnung des Freihandelsvertrags nicht stattfinden sollte: Die für Anfang Jänner 2017 vorgesehene vorläufige Anwendung des reinen Handelsteils des Ceta-Abkommens könnte uneingeschränkt stattfinden – so wie das der Zeitplan schon bisher vorgesehen hat. (Thomas Mayer aus Brüssel, 25.10.2016)