Der 35-jährige Spanier Álvaro Cerezo verkauft Inselurlaub mit "Einsamkeitsgarantie". Trifft man auf einen Menschen, bekommt man sein Geld zurück.

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Devil's Island: Überleben mit Mentos

Der 66-jährige Brite Ian Argus Stuart hat ein Vermögen mit dem Verkauf restaurierter Schiffe gemacht. Dann kam der Pensionsschock. Also ließ sich der Millionär 2014 von Álvaro Cerezo ein Inselchen im Pazifik vermitteln. Sein Plan: so lange wie möglich auf Devil's Island zu überleben. Die Hindernisse: Stuart ist Nichtschwimmer, er nahm kein Trinkwasser und keine Nahrung mit – außer ein Packerl Mentos-Zuckerln. Die Salzwasserpools der Insel sind voller Krabben und Fische, doch Stuart wollte keine Tiere töten, nur in diesen Pools baden. 21 Tage hielt er es auf der Insel aus, dann bat er per Satellitentelefon um Rettung.

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Monuriki Island: Komfortzone in der Südsee

Die Insel Monuriki liegt in der Südsee, in der Nähe der Fidschis, und ist nur einen Kilometer lang und 600 Meter breit. Cerezo bietet solche Eilande als "Komfortvariante" an, inklusive Unterkunft und Verpflegung. Für Tagespreise von rund 200 Euro muss man das Inselchen mit niemandem teilen. Die Schwierigkeit dabei: Monuriki ist auch bei Ausflüglern beliebt. Das Team von Cerezo muss daher verhindern, dass während des Aufenthalts Fremde anlanden. Sonst bekommt der Kunde sein Geld zurück. Teuer ist hier die aufwendige Anreise – und die Reinigungsgebühr für die Entsorgung von angeschwemmtem Müll.

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Tando Island: Kontrolliertes Abenteuer

Tando Island ist eine von 13.600 indonesischen Inseln – und die perfekte Spielwiese für kontrolliert abenteuerlustige Kunden. Um 87 Euro pro Tag wird man mit dem Kanu durch die Mangroven geschippert, ein Guide bereitet auf Wunsch einfache Mahlzeiten zu, und in den einfachen Schlafhütten gibt es hie und da sogar Strom. Einsamkeitsgarantie kann Docastaway auf diese Inseln nicht gewähren, denn sie wird von Indigenen bewohnt. Wer will, kann einige Tage bei ihnen verbringen oder sich die vermeintlich einsamen Strände mit Hausschweinen teilen. Die schätzen das türkisblaue Wasser nämlich auch.

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STANDARD: Wie kamen Sie dazu, nach einsamen Inseln zu suchen?

Cerezo: Als ich ein Bub war, machte ich mit den Eltern oft Urlaub daheim in Andalusien. Ich baute mir ein Floß und schipperte zu dem damals menschenleeren Strand La Calaíza. Das war meine Schatzinsel. Wann immer ich konnte, begab ich mich später als Student auf Fernreisen und suchte die Einsamkeit.

STANDARD: Hatten Sie so gut bezahlte Studentenjobs?

Cerezo: Eher großes Glück: Eine Verwandte arbeitete bei der Fluglinie Iberia, ich musste für die meisten Flüge nichts bezahlen. Mein erstes Ziel war dann gleich eine einsame Insel auf den Andamanen im Indischen Ozean.

STANDARD: Wann wurde das zu Ihrem Job?

Cerezo: 2003 habe ich auf Google Begriffe wie "unbewohnte Insel" gesucht, um herauszufinden, ob es nicht Anbieter für solche Robinsonaden gibt. Es gab keinen. Als ich dann 2010 meine Firma Docastaway gründete, war weltweit noch immer kein Konkurrent in Sicht. Das ist bis heute so geblieben.

STANDARD: Sie geben eine Einsamkeitsgarantie auf Ihre Inseln. Wie schwierig ist die Suche nach solchen Eilanden?

Cerezo: Im Südpazifik, auf den Marianen, bei Tonga gibt es noch zahllose solcher Inseln. Dort kommt in Monaten keine Menschenseele vorbei. Aber grundsätzlich wird es immer schwieriger – auch logistisch. Wir müssen etwa Fischer davon abhalten, die Eilande anzusteuern.

STANDARD: Weil Ihre Kunden dann nicht mehr allein sind und ihr Geld zurückbekommen. Mussten Sie schon zahlen?

Cerezo: Ein einziges Mal legte eine Yacht auf einer Insel an. Wir konnten uns mit dem Kunden aber darauf einigen, dass wir ihn auf eine andere Insel einladen. Das Hauptproblem ist ein anderes: Die Inseln sollen für unsere Gäste zu einem tragbaren Preis erreichbar sein. Bei einer Südpazifikinsel kostet allein die An- und Abreise 6.000 Euro, die Logistik vor Ort kommt noch dazu. Das kauft mir keiner ab. Oder kaum jemand.

STANDARD: Richtet sich Ihr Angebot denn an die breite Masse?

Cerezo: Ich wollte von Anfang an, dass es sich jeder leisten kann, allein auf einer Insel zu urlauben. Die Inseln, die wir in Indonesien anbieten, sind für Normalverbraucher und die Mittelklasse erschwinglich. Die werden auch am häufigsten gebucht. Teuer ist es, irgendwo im Südpazifik zu stranden. Dort kommt erschwerend hinzu, dass man bei Schlechtwetter Tage, wenn nicht eine ganze Woche festsitzen kann. Wir sind zwar auf der Nachbarinsel und kümmern uns um alles, aber die ist oft einige Tagesreisen entfernt.

STANDARD: Wie oft bringen Sie jemanden in den Südpazifik?

Cerezo: Einmal im Jahr machen wir so etwas, etwa mit einem Millionär und passionierten Verrückten wie Ian Argus Stuart. Wir brachten ihn auf die jüngste Insel der Erde ("Devil's Island im Südpazifik", Anm.). Eine, die vulkanischen Ursprungs ist und nur kurze Zeit existieren wird. Ian hat beides, was man dafür braucht: Geld und Zeit. Entweder haben Menschen Geld, aber keine Zeit. Oder Zeit, aber kein Geld.

STANDARD: Und was meinen Sie mit "Wir kümmern uns um alles"?

Cerezo: Außer mir gibt es noch einen Angestellten in Tokio, der sich um die Buchungen und den Alltagskram wie das Beantworten von E-Mails kümmert. Ich bin für das Marketing zuständig und suche neue Inseln. Und ich löse Probleme, sollten welche anfallen. Dann haben wir viele Freelancer vor Ort. Vom Schiffskapitän bis zum Dolmetscher. Oder Bewohner nahe gelegener Inseln, die uns helfen, die Inseln zu reinigen.

STANDARD: Sie reinigen die Inseln?

Cerezo: Das Meer ist voller Plastik, es kommt überallhin. Am öftesten finden wir Flip-Flops. Indonesien betrachtet das Meer als Mistkübel, es wird alles hineingeworfen. Ein Fischer trinkt die Cola-Dose aus und wirft sie ins Meer. Wir verbringen oft Tage damit, die Inseln zu reinigen, auf dass der Gast keinen Schock erlebt. Für unsere Kunden kann es im Paradies keinen Plastikmüll geben.

STANDARD: Wer sind Ihre Kunden, international gesehen?

Cerezo: Am asiatischen Markt interessiert unser Angebot niemanden. Dort gilt: je mehr Menschen, desto besser. Da fühlt man sich sicher. In Europa trafen wir den Nerv. Man sehnt sich nach Einsamkeit, nach menschenleeren Stränden. Natur, Nacktbaden, all das ist in Europa wichtig. US-Amerikaner sind da anders. Ihnen geht es um die Survival-Erfahrung.

STANDARD: Haben Sie selbst schon eine Extremsituation erlebt?

Cerezo: Nein, bei all meinen Reisen nicht. Zumindest nicht an Land, gefährlich ist das Meer. Auf den Inseln geschieht einem nichts. Es gibt keine gefährlichen Tiere, also keine großen, aber möglicherweise Schlangen. Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass dir eine Kokosnuss auf den Kopf fällt.

STANDARD: Die Kunden haben keine Angst?

Cerezo: Anfangs hatten die Kunden mehr Angst, das Abenteuerpaket zu buchen. Aber sie sehen, dass alle überleben. Für uns ist es auch weniger Arbeit als der Komforttrip. Was man mitnehmen will, entscheidet man selbst. Wer will, kann sein Zelt mitbringen. Aber wir raten davon ab. Besser man baut sich einen Unterschlupf, das ist spannender. Denn ehrlich gesagt: Viel zu tun gibt es nicht auf den Inseln. (Jan Marot, 27.10.2016)