Daniel Mattes genießt in der Start-up-Szene Kultstatus. Doch in letzter Zeit läuft es für ihn nicht so mehr so gut.

Foto: Mattes

Wien – Daniel Mattes hat schon bessere Zeiten gesehen. Der Oberösterreicher machte mit der Gründung des Internettelefonie-Providers Jajah Furore, den er 2010 um satte 208 Millionen Euro an die spanische Telefónica verkaufte. Dann startete Mattes mit Jumio durch, einem auf die Identifikation von Ausweisen und Kreditkarten spezialisierten Unternehmen.

Kaum von Linz nach Palo Alto im Silicon Valley übersiedelt, stiegen potente Partner wie Facebook-Mitgründer Eduardo Saverin und der führende Venture-Capital-Geber Andreessen Horowitz ein. Bald war vom "Bill Gates der Alpen" die Rede. Auftritte in der Start-up-Show Zwei Millionen zwei Minuten, bei der Mattes als Jurymitglied fungierte, festigten den Kultstatus.

Doch, wie gesagt: In letzter Zeit lief es nicht mehr so gut. Ende März wurde ein Gläubigerschutzverfahren, in den USA unter Chapter 11 bekannt, über die inzwischen auf 900 Mitarbeiter angewachsene Jumio verhängt. Vergangene Woche genehmigte der zuständige Insolvenzrichter in Wilmington im US-Bundesstaat Delaware den Abwicklungsplan.

"Kommt einer Enteignung gleich"

Und der sieht für Mattes nicht sonderlich gut aus. "Das kommt einer Enteignung gleich", sagt der Pionier, der als Vorstandschef von Jumio schon im Vorjahr den Hut nehmen musste, im Gespräch mit dem STANDARD.

Tatsächlich sind seine 20 Prozent an Jumio nun wertlos, zudem drohen zahlreiche Klagen. Der Abwicklungsplan sieht explizit die Gründung eines Trusts vor, über den geschädigte Aktionäre Geld von früheren Managern eintreiben können. Kein Wunder, dass Mattes den Insolvenzplänen heftig widersprochen hat. Nun kündigt er – gemeinsam mit Verbündeten – einen Einspruch an.

Ihm zufolge wurde die Insolvenz künstlich herbeigeführt, um andere Manager und Investoren vor Klagen zu schützen. Tatsächlich sieht der Gerichtsakt vor, dass die Expartner Saverin und Andreessen großteils nicht belangt werden können.

Doch möglicherweise kommt es noch dicker. Laut Wall Street Journal hat auch die US-Wertpapieraufsicht SEC Interesse an dem Fall. Überdies werfen Kontrahenten Mattes Unregelmäßigkeiten vor, die in die Pleite geführt hätten. Die jetzigen rechtlichen Schritte des Österreichers seien lediglich ein Manöver, um das eigene Fehlverhalten zu vernebeln, behauptet Saverin. Mattes weist derartige Vorwürfe vehement zurück. Die SEC habe die Prüfung bereits abgeschlossen, und er habe "nichts zu befürchten", sagt der Gründer. Differenzen soll es demnach rund um die Umstellung vom in Europa dominanten Rechnungslegungsstandard IFRS auf US-GAAP geben.

"Verschleuderung"

Wie immer der Streit enden wird: Während die JMO Wind Down abgewickelt wird, kümmern sich neue Eigentümer um Jumio. Die Aktivitäten der Mattes-Gründung wurden im Mai an eine Gesellschaft des Beteiligungsfonds Centana Growth Partners verkauft. Um ganze 850.000 Dollar. Aus der Sicht von Mattes eine Verschleuderung. Immerhin wird die Jumio-Verifizierung von Firmen wie Airbnb, United Airlines und Mr. Green genutzt. Entwickelt wird übrigens nach wie vor in Linz und Wien, wo Jumio rund 50 Programmierer beschäftigt.

Mattes hat trotz der Querelen die Lust am Gründen nicht verloren. Seit einem Jahr tüftelt er am Thema künstliche Intelligenz und hat dazu mit Partnern die Firma 42.cx aus der Taufe gehoben. Über die genauen Aktivitäten hüllt er sich in Schweigen, ein erster Produktlaunch wird für Anfang nächsten Jahres angekündigt.

Gut möglich, dass Mattes wieder einen Stein auf den nächsten setzt. Bei Jajah und der Web-Telefonie stieß er auf die Frage, wie die Identifikation im Internet funktioniert. Das Ergebnis war Jumio. Der nächste logische Schritt wäre wohl, die Feststellung der Authentizität durch selbstlernende Systeme zu verbessern und kommerziell zu nutzen. (Andreas Schnauder, 27.10.2016)