STANDARD: Sie haben mehrfach erklärt, Sie wollten die Monopolstellung des ORF "hinterfragen". Soll heißen?

Amon: Das bezog sich auf die Gebühren, da hat der ORF ja eine Monopolstellung – auch weil er selbst festlegt, wie hoch die sind.

STANDARD: Noch heuer muss der ORF-Generaldirektor einen Gebührenantrag an den Stiftungsrat stellen. Sie sprechen sich gegen eine Erhöhung aus, wenn nötig, mit einem Gesetz, und wenn nötig auch binnen zwei Tagen. Was soll denn in dem Gesetz stehen?

Amon: Da ging es um die Frage: Kann man eine Gebührenerhöhung überhaupt noch verhindern? Und möglich ist natürlich viel. Ich habe darauf hingewiesen, dass wir auch schon in zwei Tagen Gesetze beschlossen haben – was nicht unbedingt ein demokratiepolitisches Hochamt ist.

STANDARD: Medienminister Thomas Drozda (SPÖ) hat sich schon zuvor gegen Gebührenerhöhungen ausgesprochen – für die aber der ORF-Stiftungsrat zuständig ist und nicht die Politik.

Amon: Also habe ich entgegnet: Die Politik kann etwas machen. Wer sagt, dass diese Entscheidung beim Stiftungsrat bleiben muss? Es ist keine ideale Lösung, dass der ORF-Generaldirektor den Vorschlag über die Gebührenerhöhung macht und der Stiftungsrat darüber befindet. Der Stiftungsrat muss in erster Linie zum Wohl des Unternehmens entscheiden, also kommt er da in eine schwierige Situation.

"Das könnte der Gesetzgeber sein, das kann auch der Hauptausschuss des Nationalrats sein": Werner Amon sieht die Entscheidung über die Gebührenhöhe im Nationalrat.
Matthias Cremer

STANDARD: Wer soll über die Höhe der Gebühren entscheiden?

Amon: Das könnte der Gesetzgeber sein, das kann auch der Hauptausschuss des Nationalrats sein. Man könnte überhaupt fragen, ob man bei dieser Form der Vergebührung bleibt – bei den Werbeeinnahmen, die der ORF hat. Die ARD darf beispielsweise nach 20 Uhr keine kommerzielle Werbung mehr ausstrahlen. Der ORF hat beides: Volle kommerzielle Einnahmemöglichkeit, und er greift trotzdem immer zur Gebührenerhöhung, wenn er nicht mehr auskommt.

STANDARD: Soll der ORF weniger Werbemöglichkeiten haben – das wäre wohl der Wunsch der Privatsender. Oder haben sie etwas gegen Gebühren? Oder gegen beides? Dann müsste man insgesamt darüber diskutieren, ob man den ORF braucht. Auch das kann man ja hinterfragen.

Amon: Ich hoffe, Sie wollen mir das nicht unterstellen.

STANDARD: Ich frage Sie.

Amon: Ich glaube, es braucht einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Ich glaube, man muss aber auch darüber diskutieren, ob nicht private Anbieter Teile eines öffentlich-rechtlichen Auftrags erfüllen sollten oder miterfüllen könnten. Das halte ich durchaus für spannend. Der ORF hat gewaltige finanzielle Möglichkeiten, er kann auf beiden Seiten in die Vollen greifen, wenn man so will.

STANDARD: Wäre eine etwas klarere Aufgabenteilung nicht logischer? Ein öffentlich-rechtlicher Rundfunk macht gebührenfinanziertes öffentlich-rechtliches Programm, privater Rundfunk macht privates, werbefinanziertes Programm?

Amon: Das ist ein Denkmodell. Ich möchte mich da gar nicht einbetonieren. Ein anderes Denkmodell wäre: Man gibt dem ORF, weil er den Hauptteil der öffentlich-rechtlichen Berichterstattung trägt, Gebühren und die Möglichkeit, Werbung zu lukrieren, aber nicht mit derselben Freiheit wie nicht gebührenfinanzierte Private.

STANDARD: Die ORF-Werbung ist derzeit eingeschränkt im Vergleich zu Privaten.

Amon: Sehr eingeschränkt ist der ORF nicht. Am Ende braucht es ein gutes Mischsystem. In welcher Relation, muss man sich genau ansehen. Ich habe den Eindruck, dass der ORF und seine Möglichkeiten bei Gebühren wie Werbung wirklich an der oberen Kante sind.

STANDARD: ProSiebenSat1Puls4-Chef Markus Breitenecker soll für die Rundfunkgebühren etwa diesen Schlüssel vertreten: 300 Millionen (statt bisher 600) für den ORF, der damit eine Grund-Infrastruktur finanziert, und den Rest der Gebühren ausschreiben. Was halten Sie davon?

Amon: Das ist mir zu schnell gedacht. Man muss sich viele Dinge anschauen. Der ORF könnte sich zum Beispiel mit terrestrischem Digitalradio viele Kosten ersparen. Beim Digitalfernsehen, DVB-T und nun DVB-T2 war es dem ORF ja auch egal, ob sich die Leute dafür neue Geräte anschaffen müssen. Schnelle Antworten auf komplexe Anforderungen sind zwar populär, aber nicht immer richtig.

"Die schnelle, aber viel zu einfache Antwort kam vom ORF: Mir geht das Geld aus, also erhöhe ich die Gebühren. Ich sehe derzeit keinen Anlass für eine Gebührenerhöhung."
Matthias Cremer

STANDARD: Sie hatten auch recht schnell Ihr potenziell populäres Nein zu einer Gebührenerhöhung zur Hand.

Amon: Die schnelle, aber viel zu einfache Antwort kam vom ORF: Mir geht das Geld aus, also erhöhe ich die Gebühren. Ich sehe derzeit keinen Anlass für eine Gebührenerhöhung. Der ORF hat mit den Erhöhungen über die letzten 20 Jahren im Schnitt eine Erhöhung über 3,2 Prozent pro Jahr erhalten. Ich denke, das müsste ausreichen.

STANDARD: Der ORF sagt, die Gebühren wurden seit Mitte der 1990er unter dem Verbraucherpreisindex angepasst.

Amon: Im Schnitt hatten wir nicht 3,2 Prozent Inflation über die letzten 20 Jahre, der Schnitt liegt viel niedriger. Es gibt auch keinen Grund, warum die Gebühren immer mit der Inflation angepasst werden.

STANDARD: Üblicherweise steigen auch die Gehälter mit der Teuerung, ebenso andere relevante Kosten.

Amon: Aber der ORF finanziert sich nicht nur aus Gebühren, sondern auch aus Werbung. Jetzt muss einmal der ORF-Generaldirektor vorlegen, wie er sich die Reformen vorstellt. Für uns ist nicht denkbar, dass man einfach Geld drauflegt und keine Reformen oder Einsparungen macht.

STANDARD: Sie und andere Bürgerliche fordern seit Monaten "Reformen" vom ORF – soll heißen: Sparmaßnahmen?

Amon: Ich glaube, es gibt Potenziale, aber ich bin nicht der Consultant des ORF-Generaldirektors. Es ist nicht meine Aufgabe, dem ORF zu sagen, wie er mit dem Geld auskommen soll. Ich sehe nur nicht ein, dass ständig der Gebühren- oder Steuerzahler zur Kasse gebeten wird, weil der ORF mit dem Geld nicht auskommt, aber ständig neue Kanäle und neue Programme entwickelt. Wenn der öffentlich-rechtliche Auftrag zu weit gefasst ist, muss man eben über das ORF-Gesetz reden. Ich glaube: Der ORF definiert für sich die Aufgabe zu breit. Das muss man sich anschauen. Der ORF muss jedenfalls so glaubwürdig sparen, dass er mit den jetzigen Gebühren auskommt.

STANDARD: Macht der ORF zu viel, hat er zu viele Kanäle?

Amon: Wenn er mit dem Geld nicht auskommt, das er zur Verfügung hat: ja. Er sollte sich stärker auf den öffentlich-rechtlichen Auftrag konzentrieren, sollte mehr österreichisches Programm machen und vielleicht weniger zukaufen. Ich höre aus der TV-Branche: Wenn er internationale Übertragungsrechte einkauft, dann bietet er teils doppelt so viel wie Private.

STANDARD: Der Verdacht liegt nahe, von wem Sie diese Infos haben – ProSiebenSat1Puls4 brachte den ORF wegen Fußballrechten schon vor die Medienbehörde, allerdings ohne Erfolg. Was ist denn eigentlich der öffentlich-rechtliche Auftrag – oder sollte er sein?

Amon: Zum Beispiel in der Berichterstattung klar zwischen Kommentierung und der Vermittlung von Fakten zu trennen. Diese klare Trennung sucht man beim ORF oftmals vergebens. Dafür muss man sich nur deutsche Kanäle anschauen. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt – neben dem Bildungsauftrag, Kultur, österreichische Produktionen, Raum für anerkannte Religionsgemeinschaften… Man muss es halt definieren, klar umreißen. Amerikanische Soaps und Krimiserien gehören wahrscheinlich nicht zum öffentlich-rechtlichen Auftrag.

STANDARD: Der Medienminister beschäftigt sich nicht nur mit den Rundfunkgebühren, sondern auch mit der Presseförderung, aus der eine neue Medienförderung für Print und Online werden soll.

Amon: Ich bin schon der Meinung, dass man die Pluralität der Medienlandschaft staatlich unterstützen muss, dass ist demokratiepolitisch wichtig, insbesondere, was den Qualitätsbereich anlangt. Qualität ist schwer ausschließlich kommerziell zu finanzieren. Ich halte eine ordentliche Unterstützung für sinnvoll, da muss man sich Modelle überlegen.

STANDARD: Medienminister Drozda will eine künftige Medienförderung für Print und Online vor allem an der Zahl journalistischer Arbeitsplätze orientieren. Was halten Sie davon?

Amon: Ich kenne den Entwurf im Detail noch nicht. Wir werden in nächster Zeit in die inhaltliche Diskussion kommen. Dass Kriterien definiert werden müssen, liegt aber auf der Hand.

STANDARD: Drozda will eine höhere Medienförderung als bisher, die Presseförderung mit einer Online-Werbesteuer auch für Google und Facebook finanzieren – Sie eher nicht, liest und hört man.

Amon: Ich habe ein Problem damit, wenn das de facto eine Steuererhöhung für die werbetreibenden Betriebe wird, weil Google und Facebook ihre Werbepreise um den Faktor erhöhen.

STANDARD: Bisher gibt es eine Werbeabgabe auf alle Werbeformen – nur nicht auf Onlinewerbung.

Amon: Das ist natürlich eine Verzerrung. Man kann sicher darüber reden, dass man das gleichschaltet. Aber das muss natürlich insgesamt zu einer Senkung der Abgabenbelastung führen.

STANDARD: Drozdas Idee war, mit Abgaben für Werbung auf Google und Facebook eine neue Medienförderung zu finanzieren.

Amon: Und sie gegenüber der bisherigen Presseförderung dezent zu verdoppeln. Das über Steuererhöhungen zu finanzieren gefällt mir eher nicht.

"Nur eine europäische Lösung kann Google erwischen. Google in Irland erwischen wir von Österreich nicht. Aber bei der Werbeabgabe bin ich durchaus für Waffengleichheit, nur müsste die Abgabenbelastung insgesamt dann gesenkt werden."
Matthias Cremer

STANDARD: Google ist Weltmarktführer in der Onlinewerbung und hier bisher von Werbeabgaben ausgenommen.

Amon: Nur eine europäische Lösung kann Google erwischen. Google in Irland erwischen wir von Österreich nicht. Aber bei der Werbeabgabe bin ich durchaus für Waffengleichheit, nur müsste die Abgabenbelastung insgesamt dann gesenkt werden.

STANDARD: Drozda hat Sympathie für eine Medienabgabe für alle Haushalte statt der bisherigen Rundfunkgebühr erkennen lassen. Was halten Sie davon?

Amon: Eine Haushaltsabgabe wäre eine neue Steuer, davon halte ich nicht viel.

STANDARD: Ihr Vorvorgänger als Mediensprecher und Generalsekretär, Gernot Blümel, wollte die Abgaben der Länder auf die Rundfunkgebühr etwa für eine höher dotierte neue Presseförderung verwenden.

Amon: Das muss man, wie alles, mit den Ländern verhandeln. Das ist bekanntlich nicht das Einfachste.

STANDARD: Halten Sie es für sinnvoll, dass Länder mit Abgaben auf die Rundfunkgebühr Altstadtsanierung, Musikschulen oder Spitäler mitfinanzieren?

Amon: Manchmal bringt der Föderalismus interessante Blüten hervor, das ist sicher eine davon. Aber es ist immer schwierig, gewohntes Recht zurückzunehmen. Darüber könnte sich aber auch der ORF Gedanken machen. Aber natürlich wäre es sinnvoll, so etwas stärker zweckzubinden.

STANDARD: Also wenn schon Abgaben auf die Rundfunkgebühr, dann doch bitte für Medien, im weiteren Sinne.

Amon: Kultur ist schon okay, aber es soll dann schon Medien dienen.

STANDARD: Medienminister Drozda scheint über ein kleineres ORF-Aufsichtsgremium als den heutigen Stiftungsrat mit 35 Mitgliedern nachzudenken.

Amon: Ich bin da sehr offen für Gespräche. Es gibt noch keinen konkreten verschriftlichten Vorschlag. Aber man kann über alle Fragen reden. Das sind ja auch keine ideologischen Fragen.

STANDARD: Wenn man das ORF-Aufsichtsgremium verkleinern will, kommt man schon recht rasch zu ideologischen oder grundsätzlichen Fragen: Muss jedes Bundesland im Stiftungsrat sitzen, oder wie das Gremium dann heißt? Vor der steht man rasch, wenn man den Stiftungsrat verkleinern will.

Amon: Man muss da nicht bei den Bundesländern anfangen: Man könnte auch bei den Betriebsräten im Stiftungsrat verkleinern – die müssen nicht notwendigerweise ihren Chef mitwählen.

STANDARD: Arbeitnehmervertreter sind aber auch in AG-Aufsichtsräten vorgesehen.

Amon: Aber nicht bei der Bestellung des Vorstands. Beim ORF bestimmen die Betriebsräte über den Alleingeschäftsführer mit. Ich kenne übrigens wenige Milliardenunternehmen mit Alleingeschäftsführung. Es ist bedenklich, dass der ORF monokratisch geführt wird. Über ein Budget von einer Milliarde entscheidet freihändig eine Person.

STANDARD: Das Gesetz sieht einen Alleingeschäftsführer vor. Sollte man den Punkt ändern?

Amon: Darüber muss man sicher diskutieren. Man muss bei jedem Gesetz nach einigen Jahren schauen, ob es den gewünschten Erfolg gebracht hat oder ob es Verbesserungsmöglichkeiten gibt. Auch am ORF-Gesetz kann man da und dort Verbesserungen vornehmen. Aber natürlich kann eine Geschäftsführung auch für sich sagen, dass sie schon aus kaufmännischen Prinzipien heraus nur Entscheidungen unter vier Augen trifft.

STANDARD: Apropos: Wie sähe denn die Besetzung der ORF-Führung aus Ihrer Sicht idealerweise aus? Im Sommer unterlag der bürgerliche Kandidat Richard Grasl Alexander Wrabetz, im September kam die ÖVP nicht mit ihren Wünschen für das ORF-Direktorium durch.

Amon: Das ist Angelegenheit des Stiftungsrates. Der hat seine Entscheidung getroffen, und das ist zur Kenntnis zu nehmen. Jetzt ist die neue alte Führung gefordert, Reformen auf den Weg zu bringen.

STANDARD: Sie haben in den Stunden vor der Bestellung des ORF-Direktoriums zu bürgerlichen Stiftungsräten gesagt: Sie haben beim langjährigen Beamtengewerkschafter Fritz Neugebauer gelernt, und zwar: "Das Gansl wird in den letzten Minuten knusprig." Ist das Gansl ORF nun verbrannt, wo die bürgerlichen Wünsche für das ORF-Direktorium nicht durchkamen, oder sind Sie eigentlich noch am Braten?

Amon: Fritz Neugebauer hat oft bei Verhandlungen gesagt: Ein Gansl wird in den letzten zwei Minuten knusprig. Ich kann dem nur zustimmen.

STANDARD: Verbrannt oder noch am Braten? Wann sind diese zwei Minuten?

Amon: Das ist das Geheimnis des Kochs. (Harald Fidler, 27.10.2016)