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Unterzeichnet wird das Handelsabkommen am Donnerstag noch nicht. Dafür hat die belgische Regierung aber einen Kompromiss mit den Regionen gefunden.

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EU-Parlamentarier der Fraktion "Vereinigte Europäische Linke" protestierten am Mittwoch gegen das Handesabkommen.

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Belgiens Premier Charles Michel und Außenminister Didier Reynders verkündeten am Donnerstag die Einigung.

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Brüssel – Nur wenige Stunden nach der Absage des EU-Kanada-Gipfels am Donnerstag hat es in Belgien nun doch eine Einigung im Streit mit den Regionen über das Handelsabkommen Ceta gegeben. Das bestätigte Belgiens Ministerpräsident Charles Michel am Donnerstagmittag. Die Spitzen der belgischen Regionen und Sprachgruppen hätten sich auf einen gemeinsamen Text verständigt. Dieser trage ihren Bedenken gegen das Streitschlichtungsverfahren für Investoren und ihren Befürchtungen über Nachteile für ihre Bauern Rechnung.

Der Text muss aber erst noch den anderen 27 EU-Ländern vorgelegt und von ihnen abgesegnet werden. Für den Nachmittag sollten die Botschafter der EU-Staaten in Brüssel einberufen werden, teilten Diplomaten mit. Erst dann wäre der Weg frei für eine Unterzeichnung des Abkommens. Durch den Deal mit den belgischen Regionen scheint die seit Tagen anhaltende Blockade aber aufgehoben.

Regionalparlamente müssen noch zustimmen

Die in Brüssel erzielte Einigung werde nun an die EU sowie an die verschiedenen Parlamente in Belgien gesandt, sagte Michel. Die Regionalparlamente würden "vor Freitagmitternacht" darüber abstimmen.

EU-Ratspräsident Donald Tusk nannte die Einigung eine "gute Nachricht": "Sobald alle Verfahren zur Unterzeichnung von Ceta durch die EU beendet sind, werde ich (den kanadischen, Anm.) Premierminister Justin Trudeau kontaktieren", teilte er am Donnerstag auf Twitter mit.

Termin für Unterzeichnung offen

Zuvor war der für Donnerstag geplante Gipfel zur feierlichen Unterzeichnung des Handelsabkommens in Brüssel abgesagt worden. Wann das Treffen nachgeholt werden kann, ist weiter unklar. Es gibt derzeit kein neues Datum, wie die Nachrichtenagentur AFP aus EU-Kreisen erfuhr.

Auch nach der innerbelgischen Einigung sieht die kanadische Regierung noch nicht alle Hürden beseitigt. Sie sprach am Donnerstag von einer positiven Entwicklung. "Kanada bleibt nach wie vor bereit, das Abkommen zu unterzeichnen, sobald Europa dazu in der Lage ist", sagte eine Sprecherin von Handelsministerin Chrystia Freeland. Ähnlich äußerte sich Außenminister Stephane Dion, der die Aussichten auf einen Abschluss mit vorsichtigem Optimismus beurteilte.

Verhandlungsmarathon erfolgreich beendet

Nach Gesprächen bis spät in die Nacht waren die belgischen Regionalvertreter in der Früh erneut in Brüssel zusammengekommen. Wallonien, die Hauptstadtregion Brüssel und die französischsprachige Gemeinschaft hatten ein Veto gegen Ceta eingelegt, weil sie Gefahren für Sozial- und Umweltstandards und die Landwirtschaft sehen und Nachbesserungen fordern. Sie verhinderten dadurch eine Zustimmung der belgischen Zentralregierung. Das Handelsabkommen muss aber von allen EU-Mitgliedern angenommen werden – solange Belgien nicht endgültig zustimmt, kann die EU nicht unterschreiben.

Die EU-Kommission und die Regierungen der Mitgliedsstaaten widersprechen der Kritik an dem Abkommen vehement. Sie betonen, dass die europäischen Standards in Bereichen wie Lebensmittelsicherheit und Arbeitnehmerrechte uneingeschränkt gewahrt werden. Das Abkommen stellt aus ihrer Sicht auch sicher, dass die wirtschaftlichen Vorteile nicht auf Kosten der Demokratie gehen.

Details unklar

Welche zusätzlichen Garantien die belgischen Regionen nun zum Einlenken brachten, blieb zunächst unklar. Druck auf die Verhandlungsparteien hatten auch die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten bei ihrem Herbstgipfel vergangene Woche in Brüssel ausgeübt. Mehrere Staats- und Regierungschefs äußerten tiefe Besorgnis über das mögliche Scheitern des Abkommens.

Der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hoffte, dass der verschobene Gipfel "bald" abgehalten werden kann. Ceta sei "das beste Handelsabkommen, dass die Europäische Union je ausgehandelt hat". Auf die innerbelgische Einigung reagierte Gabriel mit Erleichterung. "Ich freue mich natürlich darüber, dass sich die Belgier untereinander geeinigt haben und damit der Weg für Europa und Kanada freigemacht wurde", sagte er am Donnerstag. Jetzt könne der Ceta-Vertrag unterzeichnet werden, dann werde das Europäische Parlament darüber beraten, und dann gehe das Vertragswerk an die nationalen Parlamente. "Aber jetzt ist erst einmal, glaube ich, eine große Hürde genommen, und das ist auch gut so."

Kritik an Entscheidungsprozessen

Europapolitiker verschiedener Lager forderten Konsequenzen aus den jüngsten Ereignissen. Der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament, der Deutsche Bernd Lange, sagte im SWR, es sei ein grundsätzliches Problem nicht nur der EU-Handelspolitik, dass immer mehr Nationalismus und Regionalismus die Diskussion bestimmen. Solange das der Fall sei, werde man auch nicht mehr international handlungsfähig sein: "Wir müssen wegkommen von den nationalen Egoismen, und die grassieren in der Tat deswegen, weil wir so viele rechtspopulistische Strömungen haben."

Der Vizepräsident des Europaparlaments, Alexander Graf Lambsdorff, forderte in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" am Donnerstag eine Stärkung der EU. Für Fragen der Handelspolitik müsse die Kommission alleine zuständig sein. "Das Erfolgsmodell Handelspolitik darf nicht zum Spielball von regionalen und parteipolitischen Interessen werden, so wie es jetzt bei den Sozialisten der Wallonie geschehen ist." Wenn jeder über alles abstimmen wolle, "dann klappt am Ende gar nichts mehr", warnte Lambsdorff. (APA, red, 27.10.2016)