Zugfahrerin mit (zu viel) Fantasie: Emily Blunt in "The Girl on the Train".

Foto: Constantin

Die Ausgangsidee von The Girl on the Train könnte einem Hitchcock-Thriller entstammen. Eine Frau passiert mit dem Zug tagtäglich dieselben Suburbia-Eigenheime, bis sie eines Tages vermeint, ein wesentliches Detail in einem Vermisstenfall wahrgenommen zu haben. Allein, die von Emily Blunt verkörperte Pendlerin ist keine verlässliche Zeugin. Seit ihre Ehe gescheitert ist, kuriert sie ihren Kummer mit Alkohol. Außerdem hat sie zum potenziellen Opfer (Haley Bennett) ein leicht obsessives Verhältnis, projiziert sie in deren scheinbares Glück – im Vorbeifahren – doch nur jenes, das ihr selbst abhandengekommen ist. Als sie selbst zu ermitteln beginnt, wirkt sie deshalb schnell einmal wie eine Stalkerin.

Tate Taylors Thriller, der auf dem Bestseller von Paula Hawkins beruht, baut allerdings nur wenig auf Suspense auf. Ähnlich wie David Finchers ungleich raffinierterer Gone Girl verwendet der Film den Kriminalfall als Mittel, um hinter die Fassaden mittelständischer Anständigkeit zu blicken. Taylors Zugang ist melodramatischer, wobei er den Lifestyle der schicken Milieus eher ausstellt, anstatt diesen mit Doppeldeutigkeiten anzureichern. Die Hinwendung zu den von Schwangerschaftshysterie und Idealen ehelicher Harmonie getriebenen Frauen wirkt deshalb wie eine vordergründige Investition, die durch eine konfuse Rückblendenstruktur nicht eben ertragreicher wird. (kam, 27.10.2016)