So wahr mir Gott helfe." Norbert Hofer hat die Gelöbnisformel des Amtseides als Wahlkampfslogan eingesetzt. Das Thema Glaube an Gott und Religion taucht hier nicht zum ersten Mal auf. Norbert Hofer hat seine Religiosität bereits mehrfach hervorgehoben. Auch wurden während der vergangenen Durchgänge des Bundespräsidentenwahlkampfs die Kandidaten gelegentlich nach ihrem Verhältnis zur Religion befragt. In der Regel waren es Fragen wie: "Glauben Sie an Gott? Gehören Sie einer Religionsgemeinschaft an? Gehen Sie in die Kirche?"

Gerechtere Welt

Zunächst lässt sich sagen: Warum sollte man in einem Persönlichkeitswahlkampf nicht Glaube und Religion thematisieren? Die Zugehörigkeit zu einer Religion ist zwar eine sehr persönliche Entscheidung und damit primär kein öffentliches Thema, aber sie lässt sich nicht allein auf den privaten Bereich beschränken. Religionen stellen den Anspruch, ein bestimmtes Welt- und Wirklichkeitsverhältnis zu vermitteln. Sie sind eine Art und Weise, das Leben zu deuten und zu verstehen. Und allen Religionen ist explizit oder implizit daran gelegen, die Welt, in der wir leben, auch zu verändern. Von ihrem Selbstverständnis her bemühen sie sich, unsere Welt gerechter, menschlicher und barmherziger zu gestalten. Und es ist durchaus interessant zu erfahren, wie die Kandidaten über dieses Potenzial der Religionen denken und welcher ihrer Weltdeutungen sie nahestehen.

Jedoch nicht so, wie es hier geschieht: Nahezu alle Religionen messen Nähe und Teilnahme nicht nur am Bekenntnis zur äußeren Zugehörigkeit, sondern an der inneren Übereinstimmung und vor allem am authentischen Handeln der Einzelnen gemäß ihren Normen und Wertvorstellungen. Von dieser Warte her sind die oben zitierten Fragen ungeeignet, etwas darüber zu erfahren. Sie verschleiern vielmehr und dienen eigentlich nur dazu, ein Lagerdenken zu fördern und ideologische Grenzlinien zu markieren: hier der Atheist und Skeptiker, dort der fromme Christ und Kirchgänger. Eine Antwort auf die Frage nach dem Glauben an Gott oder der Zugehörigkeit zur Kirche sagt inhaltlich nicht viel aus. Solche Zugehörigkeitsbekenntnisse sind vielfach zu reinen Leerformeln verkommen. Glauben nicht auch Rechtsextreme und Jihadisten an Gott? Gehören nicht viele einer Religionsgemeinschaft an, ohne deren zentrale Werte und Überzeugungen auch nur im Geringsten zu teilen?

Natürlich vermittelt es für christlich gesinnte Wähler auf den ersten Blick ein Gefühl von Sympathie, wenn sich Kandidaten zur Glaubensgemeinschaft bekennen, der man sich selbst, in welcher Weise auch immer, zugehörig fühlt. Aber darin lauert auch ein großes Missverständnis, weil damit nur die äußere Hülle bezeichnet wird – und nicht der Inhalt.

Norbert Hofer hat im ersten Durchgang der Stichwahl bei einer Kundgebung der FPÖ zum Ersten Mai 2016 in Linz seinen Wählerinnen und Wählern wörtlich versprochen: "Wir Freiheitliche halten die Werte des Christentums hoch und heilig." Zentrale Glaubensinhalte des Christentums für "heilig" zu halten bedeutet aber, sein Handeln nach ihnen auszurichten.

Das unbestrittene Zentrum des christlichen Glaubens, aus dem heraus wir handeln, findet sich im sogenannten Doppelgebot, das Jesus aus der jüdischen Tradition heraus formuliert hat: "Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele und mit all deinen Gedanken. Das ist das wichtigste und erste Gebot. Ebenso wichtig ist das zweite: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst." (Matthäus 22,37-39)

Was tun Sie genau?

Vor diesem Hintergrund könnte man zum Beispiel folgende Fragen an die Kandidaten stellen: Was tun Sie, um die Werte des Christentums hier und heute in Österreich zu verwirklichen? Was haben Sie bisher dafür getan, und was werden Sie zukünftig als Bundespräsident dafür tun? Was bedeutet jene zentrale Herausforderung der Gottes- und Nächstenliebe für unser Handeln hier und heute? Wie ist Ihrer Meinung nach die Flüchtlingspolitik in Österreich konkret zu gestalten? Wie verwirklichen wir eine menschengerechte Integrationspolitik? Welche Rahmenbedingungen setzen wir für das Zusammenleben zwischen Christen, Juden, Muslimen, Angehörigen anderer Religionsgemeinschaften und jenen Menschen, die keiner Religion zugehören?

Authentische Werte

Praktische Lösungen für diese Fragen zu finden ist zwar eine Aufgabe des Parlaments und der Bundesregierung, nicht die des Bundespräsidenten. Aber: Ein vom Volk gewählter Präsident hat auch eine über die in der Bundesverfassung festgelegten Befugnisse hinausgehende Funktion: Er soll in authentischer Weise für jene Werte und Haltungen stehen, die unserem Land und den in ihm lebenden Menschen ihre Identität(en) geben.

Daran und nicht an einer äußeren Zugehörigkeit zu einer Religion oder Weltanschauung sollten wir uns als Christinnen und Christen orientieren. (Alois Halbmayr Josef Mautner, 27.10.2016)