Die SPÖ will Pensionisten 2017 einen Hunderter mehr ins Börsl stecken. Doch kann sich der Staat das leisten? Laut Prognosen steigen die Kosten für die Altersversorgung – aber weniger als befürchtet.

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Frage: Das jährliche Gutachten über die Entwicklung der Pensionskosten liegt vor. Ist das Ergebnis erfreulich oder beunruhigend?

Antwort: Das kommt darauf an, womit man die neuen Zahlen vergleicht. Gegenüber dem Status quo werden die Beträge, die der Staat aus Steuergeld jährlich ins allgemeine Pensionssystem (ohne Beamte) zuschießt, weil die Versicherungsbeiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei weitem nicht reichen, steigen – und zwar von heuer 10,18 auf 13,38 Milliarden Euro im Jahr 2021 beziehungsweise von 2,89 auf 3,23 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Allerdings fällt das Plus damit – und das ist die neue Erkenntnis – deutlich geringer aus als bisher befürchtet.

Frage: In welchem Ausmaß?

Antwort: Laut der Prognose, die von Experten des Sozialministeriums stammt, liegen die Kosten pro Jahr um jeweils etliche Hundert Millionen Euro unter jenen Zahlen, die der Budgetplan der Regierung im Frühjahr verbucht hat. 2020 sollen die Ausgaben statt 13,26 Milliarden "nur" 12,51 Milliarden betragen.

Frage: Was sind die Gründe dafür?

Antwort: Bessere Aussichten für die Wirtschaft sorgen für höhere Beschäftigung und mehr Einnahmen für die Pensionsversicherung, gleichzeitig dämpft die niedrige Inflation die jährliche Pensionsanpassung und damit auch die Kosten des Staates. Rudolf Müller, Leiter der Pensionskommission, betont aber auch: Dass die eingeleiteten Reformen den Andrang in den Ruhestand bremsten, sei eindeutig ablesbar.

Frage: Ist das Gutachten denn unumstritten?

Antwort: Von 35 Experten, Parteifunktionären und Sozialpartnern in der Kommission stimmten nur die zwei Freiheitlichen und der eine Neos-Vertreter dagegen. ÖVPler und Wirtschaftsvertreter hatten im Gegensatz zum Vorjahr, als sie Beschönigungsversuche und Lücken im Bericht kritisierten, keine Einwände. "Weil das Gutachten nicht sehr besorgniserregend ist, wurde auch kein großer Handlungsbedarf gesehen", fasst Kommissionsmitglied Ulrich Schuh, Leiter des industrienahen Instituts Eco Austria, zusammen.

Frage: In Medien war dennoch zu lesen, dass die Kosten für die Pensionen nun "wieder stärker" steigen würden. Wie passt das zusammen?

Antwort: Wem das jetzt zu kompliziert wird, bitte zur nächsten Frage weiterspringen: Die Gutachter blicken stets sechs Jahre zurück ("Beobachtungszeitraum") und sechs Jahre nach vorn ("Prognosezeitraum"). Im diesjährigen Bericht stellen sie fest, dass die Kosten von 2015 bis 2021 mit plus 34,6 Prozent stärker steigen als von 2009 bis 2015 (plus 16,3 Prozent). Diese Momentaufnahme hängt aber auch vom statistischen Zufall ab: So fiel diesmal im Beobachtungszeitraum der starke durch die Wirtschaftskrise verursachte Kostensprung von 2008 auf 2009 heraus, während das äußerst günstige Ausgangsjahr 2015, als die Pensionskosten sogar sanken, den Anstieg im Prognosezeitraum besonders rasant aussehen lässt.

Frage: Ist absehbar, dass der ständige Kostenanstieg gestoppt wird?

Antwort: Nein – auch nicht dann, wenn man die Ausgaben an der Wirtschaftsleistung bemisst. Laut Prognose des Sozialministeriums wird der Zuschuss für die Pensionen von derzeit knapp drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf 5,7 Prozent in 40 Jahren steigen. Die Ursache liegt auf der Hand: Die Zahl der Menschen über 65 Jahren wächst massiv.

Frage: Warum gibt sich Sozialminister Alois Stöger dennoch entspannt?

Antwort: Weil die allgemeine gesetzliche Pensionsversicherung nur die eine Seite der Medaille ist. Etwa gleich viel Geld gibt der Staat derzeit für die Altersversorgung der Beamten aus – doch weil deren Sonderrechte als Folge der Pensionsreform von 2004 auslaufen, ist hier mit üppigen Einsparungen zu rechnen. Unterm Strich bedeutet das: Laut den vom Finanzministerium an den "Ageing Report" der EU gemeldeten Daten werden die staatlichen Kosten für sämtliche Pensionen von derzeit rund sechs auf 6,7 Prozent des BIP im Jahr 2035 steigen, um bis 2055 wieder auf 6,55 Prozent zu fallen.

Frage: Ist das verkraftbar?

Antwort: Das liegt im Auge des Betrachters. Wirtschaftsvertreter und andere Befürworter einer neuerlichen, großen Pensionsreform sagen nein, zumal die Kosten schon jetzt auf zu hohem Niveau lägen und das Geld für "Zukunftsausgaben" und Steuersenkungen fehle. Kommissionschef Müller hingegen argumentiert: Passierten keine unvorhergesehenen Katastrophen, dann sei das System finanzierbar. So sieht das auch Minister Stöger (SPÖ), der die Kostenprognose als "Referenzpfad" ins Gesetz schreiben lassen will.

Frage: Kommt er damit durch?

Antwort: Sieht nicht so aus. Der Minister hat zwar eben ein Gesetzespaket für ein paar kleinere Reformen – etwa einen Bonus für Arbeit über das Pensionsalter hinaus – in parlamentarische Begutachtung geschickt, doch die Kostenfrage blieb vorerst ausgeklammert. Finanzminister Hans Jörg Schelling und die ÖVP wollen einen strengeren Ausgabenpfad.

Frage: Wie stark sollen die Pensionen kommendes Jahr erhöht werden?

Antwort: Die Kommission legte als "Anpassungsfaktor" jene 0,8 Prozent fest, die das Gesetz analog zur Inflationsrate vorschreibt. Die SPÖ will aber als Sonderzahlung noch 100 Euro extra drauflegen, was 200 Millionen kosten würde. Auch da sträubt sich Finanzminister Schelling – noch. (Gerald John, 27.10.2016)