Wie die Zeit vergeht, bemerkt am eigenen Alterungsprozess. Dieser kann sich ungeheuer beschleunigen, wenn man sich entsprechende Nachrichten zu Gemüte führt. Wenn man halbbewusst die 70er-Jahre, dann ganz bewusst die 80er und 90er mitbekommen hat.

Und die Frauenpolitik mit all ihren Umbruchversuchen genauer mitverfolgte. Ihre Agenden irgendwann als notwendig betrachtet hat. Dann als unausweichlich wichtig. Schließlich für unverzichtbar. Und wenn man dann, nach all diesen motivierten Einsätzen all dieser mutiger Erneuerinnen, nach all den Studien, nach all der Literatur, Forschung, den Mühen, der Sozialarbeit, der Gesetzesnovellen, der Gespräche, und Informationsabende, des gegenseitigen Mutmachens, des Netzwerkens und des Förderns einen Blick in die Zeitung wirft oder auch einen auf den Bildschirm.

Und dort schwarz auf weiß lesen kann: Eine Studie kommt zum eher suboptimalen Schluss, dass die Gleichstellung nicht nur immer noch nicht erreicht ist. Nein: Es geht wieder rückwärts. Bis Frauen Gleichstand in jedem Sinne des gesellschaftlichen Lebens erreicht haben, wird es nun 170 Jahre dauern. Österreich ist auf den schändlichen 52. Platz abgerutscht.

Man denkt an all die jungen Frauen, die lächelnd sagen, alles sei schon erreicht. Die das auch wirklich glauben. Man denkt daran, dass man wollte, dass nachkommende Frauen es besser haben. 170. Das sickert langsam ins Bewusstsein. Und dann schaut die Gegenwart plötzlich recht schnell recht alt aus. Nicht mal im biblischen Alter wird man also erleben, dass Gleichstellung wirklich eingetroffen ist.

Man wiegt diese Zahl 170 nach Erträglichkeit ab. Nein, diese Zahl ist unerträglich. Diese Zahl bedeutet, dass nicht einmal unsere Töchter die vollständige Gleichstellung erleben werden können. Vielleicht einmal unsere Enkelinnen, wenn sie sehr zäh und langlebig sind.

Zäh ist ein Stichwort. Wir haben ja jetzt bekanntlich die Krise. Laut manchen schon gar bürgerkriegsnahe Zeiten. In diese lasst uns männlich schreiten. Die neue Koalition in Oberösterreich hat zügig den Anfang gemacht: eine ganze Regierung ohne eine einzige Frau? Das geht. Gar kein Problem. Die Eignung baumelt lässig im Schritt.

Weibliche Bewegung führt direkt von der Krise zum Krisenherd. Welcome home, Baby! Lebst du noch, oder backlashst du schon? Aber bitte lächelnd. Schließlich ist der Feminismus ja längst überholt. Den braucht keiner. Alles paletti. Kann keine Ewigkeit mehr dauern. Nur noch 170 Jahre. (Julya Rabinowich, 29.10.2016)