Miloš Zeman empört einmal mehr seine Gegner.

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Prag/Wien – Die Feierlichkeiten zum tschechischen Staatsfeiertag waren am Freitag überschattet vom Streit um die Verleihung – beziehungsweise Nichtverleihung – eines hohen Verdienstordens an den Holocaust-Überlebenden Jirí Brady. Der 88-Jährige wurde nach eigener Auskunft bereits Mitte Oktober von der tschechischen Präsidentschaftskanzlei telefonisch darüber informiert, dass er am Feiertag, dem 28. Oktober, von Präsident Milos Zeman mit dem Masaryk-Orden geehrt werden soll. Nur eine Woche später jedoch bestritt Zeman, dass Brady überhaupt jemals auf der endgültigen Liste der Laureaten stand.

Bradys Neffe, der tschechische Kulturminister Daniel Herman, glaubt den Grund zu kennen: Er selbst hatte wenige Tage nach dem angeblichen Telefonat den Dalai Lama empfangen, der zur alljährlichen, von Expräsident Václav Havel ins Leben gerufenen Konferenz "Forum 2000" nach Prag gekommen war. Herman, der in seinem Ressort auch für die Beziehungen zu Kirchen und Religionsgemeinschaften verantwortlich ist, behauptet, dass Zeman ihn bereits im Vorfeld genau davor gewarnt habe: Der Präsident habe ihm persönlich gesagt, "dass er meinen Onkel von der Liste streicht, wenn ich mich mit dem Dalai Lama treffe", erklärte der Christdemokrat. "Und so ist es auch geschehen."

Der Dalai Lama, höchster Vertreter des tibetischen Buddhismus, ist Zeman vor allem im Sinne guter Beziehungen zu China ein Dorn im Auge. Außer ihm hatten auch der sozialdemokratische Premier Bohuslav Sobotka und die Chefs beider Parlamentskammern das Treffen Hermans mit dem Dalai Lama als "persönliche Aktivität" des Ministers bezeichnet.

Im Streit um die Auszeichnung Bradys unterstützt Premier Sobotka den Präsidenten jedoch nicht. Via Twitter teilte er mit, Zeman solle sich "wie ein Staatsmann verhalten und Brady den Orden verleihen" – ansonsten werde der Staatsfeiertag zum Festival von Kleingeistigkeit und Streit.

Zahlreiche andere Ehrungen

Sobotka selbst überreichte Brady, der in Kanada lebt und bereits nach Prag gereist war, am Donnerstag einen anderen Verdienstorden. Auch die Jüdische Gemeinde Prag und die Universität Olmütz ehrten Brady, der seine Holocaust-Erfahrungen an junge Generationen weitergibt und sich seit Jahrzehnten für Menschenrechte einsetzt. Die Prager Oberbürgermeisterin Adriana Krnácová überreichte ihm symbolisch den Schlüssel zur Stadt.

Auf der Burg, dem Sitz des Präsidenten, lässt man sich von alldem nicht beirren: Brady sei für den Masaryk-Orden gar nicht vorgesehen gewesen, ein Telefonat mit ihm könne man nicht bestätigen. Politiker zahlreicher Parteien haben daher die Teilnahme an den offiziellen Feierlichkeiten auf der Burg abgesagt und feierten lieber unten auf dem Altstädter Ring – ohne Zeman. (Gerald Schubert, 28.10.2016)