"Für Schweden in der Zeit": So lautet der Wahlspruch von Schwedenkönig Carl XVI. Gustaf.

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För Sverige i tiden" – "Für Schweden in der Zeit": So lautet der Wahlspruch von Schwedenkönig Carl XVI. Gustaf. Den Spruch kennt in dem skandinavischen Land fast jeder – findet sich das Motto doch auf der Ein-Krone-Münze. Carl Gustaf erklärte sein Regierungsmotto seinerzeit damit, dass er ein moderner Monarch sein wolle. Tatsächlich verlief seine Regentschaft gewissermaßen zeitgemäß. Dafür sorgten nicht zuletzt zahlreiche verbale Hoppalas und seine wohl nur zum Teil von Medien erdichteten Sexgeschichten. Seiner Zeit das allgemeine Gepräge aufgesetzt hat der König jedoch sicher nicht.

Flüchtiges Motto

Seit den Zeiten von Gustav Wasa (König von 1523 bis 1560) ist es in Schweden Tradition, dass die gekrönten Häupter ihrer jeweiligen Regentschaft ein Motto voranstellen. Es kam gelegentlich auch vor, dass die Leitsätze wegen aktueller Veränderung der politischen Lage des Landes ausgewechselt wurden. Feldherrenkönig Gustav II. Adolf etwa, der bis zur Schlacht bei Lützen 1632 im Dreißigjährigen Krieg sein Scherflein zu einer der größten Verheerungen Europas beitrug, tauschte sein Motto aus kriegspropagandistischen Gründen gleich zweimal.

Oskar II., der anfangs mehr als nur ein Volk regierte, formulierte seinen Leitspruch "Brödrarfolkens väl" ("Das Wohlergehen der Brudervölker") nach dem Zerfall der Union mit Norwegen 1905 um. Danach lautete es "Sveriges väl".

Kaiser Franz Joseph I. von Österreich behielt das aus ähnlichen Motiven wie sein schwedischer Zeitgenosse ausgesuchte "Viribus Unitis" (Mit vereinten Kräften) bis zu seinem Tod bei. Als die italienische Marine zu Kriegsende das nach diesem Motto benannte k. u. k. Schlachtschiff versenkte, gehörte es bereits dem entstehenden Jugoslawien. Damals ging eine Ära zu Ende, die Franz Joseph in der Erinnerung auch heute noch wie wohl kaum ein anderer verkörpert.

Auch andere österreichische Kaiser, etwa Joseph II., stehen für eine ganz bestimmte Geschichtsperiode: Die Josephinische Zeit oder der Josephinismus sind geradezu ein Synonym für die Aufklärung in Österreich. Auch Josephs Mutter, Kaiserin Maria Theresia, wird im Hinblick auf ihre Verwaltungsreformen, insbesondere jene im Schulwesen, immer wieder als ihre Epoche prägend wahrgenommen. Beispiele für Monarchen und andere Herrscherfiguren, die namensgebend für Geschichtsabschnitte waren und sind, gibt es auch anderswo zuhauf.

Neuer Tenno – neue Ära

Man denke an Napoleon, der als Franzosenkaiser zeitweise fast ganz Europa unter Kontrolle hatte, oder das viktorianische Zeitalter in England, das in seiner die Lebensmoral betreffenden Bedeutung bis weit über die Grenzen des Vereinigten Königreichs und seiner Kolonien hinaus bekannt ist; oder die Päpste, ohne die die Geschichtseinteilung in der katholischen Kirche kaum vorstellbar ist.

In Fernost gibt es bis heute einen starken Zusammenhang zwischen Monarchen und Zeitrechnung. In Japan beginnt trotz der 1873 vollzogenen Umstellung auf den gregorianischen Kalender mit jedem neuen Tenno noch immer eine neue Ära, die an ein Motto geknüpft ist. Im Wesentlichen holte sich Japan das System aus China, wo bis heute auch die Herrscherhäuser (Dynastien) eine große Rolle in der historischen Zeitrechnung spielen.

Kalenderspezialist und Autor Sepp Rothwangl verweist auch auf die altrömische Geschichtsschreibung und darauf, dass die europäischen Chronisten bis ins Mittelalter ganz allgemein historische Zeitabläufe in Regierungszeiten von Kaisern, Königen oder Fürsten maßen. Heute tue man das hingegen nur noch in bestimmten Ländern und Weltgegenden wie in Indien und Teilen der islamischen Welt.

Bedeutung verringert

Rothwangl ist ein vehementer Kritiker religiöser und sonstiger manipulativer Zeitrechnungen. Er tritt in seinem Buch "Endzeit. Die Geschichte der christlichen Zeitrechnung" für eine weltweite Kalenderreform nach strikt astronomischen Gesichtspunkten ein.

Die Bedeutung von Herrschern als Maß der Zeit hat sich im Lauf der Jahrhunderte allmählich verringert. Das 20. Jahrhundert prägen in der Retrospektive die großen Umwälzungen und Katastrophen wie die Weltkriege, die Weltwirtschaftskrise, der Kalte Krieg, oder die chinesische Kulturrevolution. Mehr und mehr sind, zumindest im Westen, auch gesellschaftliche Entwicklungen wie die sexuelle Revolution der 60er-Jahre, die New Wave in der Popmusik oder der rasante Lauf in das Informationszeitalter zum Maß aller zeitlichen Dinge geworden.

Die europäischen Monarchen prägen zwar noch immer das Erscheinungsbild nationaler Währungen und sogar der länderspezifischen Seite der Euromünzen, ihre und damit unsere Zeit prägen sie hingegen schon lange nicht mehr. Heute dienen Königinnen, Könige und ihre Sprösslinge trotz gewisser Rechte und Pflichten als formale Staatsoberhäupter in der täglichen Realität zumeist als folkloristische Touristenmagneten oder als dankbares Futter für den Medienboulevard.

Entschwundene Zeiten

Höchstens der Tod letzter Monarchen und deren unmittelbarer Nachkommenschaft sorgt manchmal noch für ein Aufwallen von Nostalgie bezüglich einer längst entschwundenen Zeit. So war es, als die letzte Kaiserin von Österreich, Zita im Jahr 1989, und gut drei Jahrzehnte später ihr ältester Sohn, der letzte Habsburger-Kronprinz Otto, unter Einhaltung der traditionellen Form in der Kapuzinergruft bestattet wurden und jeweils die alte Kaiserhymne im Stephansdom erklang.

Ähnlich ging es manchem in Finnland 2006, als ein dänisches Kriegsschiff die ein knappes Jahrhundert lang in ihrer Geburtsheimat Dänemark begrabenen Gebeine der vorletzten Zarin Maria Fjodorowna (geborene Prinzessin Dagmar) zur endgültigen Beisetzung nach St. Petersburg brachte. Als das Schiff an Helsinki vorbeifuhr, rückte die finnische Marine zum Salutschuss für die ehemalige Souveränin des Landes – sie war als Zarin auch Großfürstin von Finnland – aus.

In Schweden wird immer wieder gemunkelt, der heute 70-jährige König könnte die Krone vorzeitig an seiner älteste Tochter, Kronprinzessin Viktoria, abgeben. Ihre Hochzeit löste 2010 bei vielen Schweden ebenfalls noch einmal ein kurzes Aufwallen monarchischer Euphorie aus. Niemand weiß jedoch, ob die Thronerbin als Königin noch an den überkommenen Traditionen festhalten wird.

Wird sie ein eigenes Regierungsmotto wählen? Und wenn ja, wird es dann den Menschen noch ähnlich geläufig sein wie das ihres Vaters, das sie in der Geldbörse bei sich tragen? Die Chancen dafür stehen schlecht: Immerhin wird in Schweden in gewissen Abständen wiederholt die völlige Abschaffung von Bargeld erwogen. (Andreas Stangl, 29.10.2016)