Plakatiert "Sowahr mir Gott helfe": Norbert Hofer

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Über die Umfunktionierung der fakultativen Gelöbnisformel "So wahr mir Gott helfe" zum mannigfach plakatierten Wahlkampfslogan des Bundespräsidentschaftskandidaten Norbert Hofer gehen derzeit die Wogen hoch. Wie bereits Alois Halbmayr und Josef Mautner in ihrem Kommentar der anderen vom 27. Oktober angemerkt haben, geht es nun aber nicht darum, sich über diesen Satz zu echauffieren, sondern es gilt vielmehr sich inhaltlich anzusehen, inwieweit Hofer tatsächlich christliche Werte vertritt oder sich auf diese nur oberflächlich beruft, um Wählerschichten für sich zu gewinnen, bei denen es der Gegenkandidat nach allgemeiner Einschätzung schwerer hat.

Tatsächlich scheinen viele gläubige Christen Hofers Ruf zu folgen: Gemeint sind nicht nur Wahlempfehlungen von katholischer Seite wie die des Salzburger Weihbischofs Laun für Hofer vom vergangenen Mai (die Erzbischof Lackner als "politische Parteinahme" zurückwies). Vielmehr machen sich auch evangelikale und freikirchlich engagierte Christen für Hofer stark. So hat beispielsweise die Petitionsplattform CitizenGo, die sich auch in anderen Ländern etwa gegen Abtreibung und die Ehe für Homosexuelle einsetzt, eine Gegenüberstellung der beiden österreichischen Präsidentschaftskandidaten an Mitglieder österreichischer Freikirchen versendet, in der Zitate von Hofer in ein gutes – "christliches" – Licht gestellt und Aussagen Alexander Van der Bellens als christlichen Werten zuwiderlaufend dargestellt werden. CitizenGo greift die Werte Familie, Freiheit und Leben als christliche heraus, um sie als Bewertungsmaßstab für Aussagen heranzuziehen, die die Kandidaten freilich in anderen Kontexten und nicht als Antworten auf die Frage nach christlichen Werten getätigt haben.

Familie, Freiheit und Leben nur für Österreicher?

Die christlichen Werte Familie, Freiheit und Leben werden, wenn man sie sich genauer und aus einem anderen Blickwinkel ansieht, von Hofer eben gerade nicht vertreten. Das zeigt sich unter anderem an folgenden Punkten:

Hofer ist Chefideologe der FPÖ (so trägt deren Parteiprogramm ganz wesentlich seine Unterschrift). Die Ideologie der FPÖ besteht (seit Haider) im Motto "Österreich(er) zuerst", also darin, Österreicher und Nicht-Österreicher auseinanderzudividieren, Gräben zwischen "uns" und den "anderen" zu schaffen oder zu vertiefen. Ganz konkret möchte Hofer zum Beispiel, dass in Zukunft nur Österreicher arbeitslosenversichert sind, damit arbeitslose Ausländer kein Arbeitslosengeld mehr bekommen. Das würde nur die Kluft zwischen arm und reich vergrößern, Österreich würde dadurch nicht einmal Geld sparen. Entspricht das dem christlichen Wert "Freiheit"?

Hofers Mission: Macht, nicht Glaube

Die Anti-Ausländerpolitik der FPÖ ist auch eine Anti-Flüchtlingspolitik. Dass sich das Mittelmeer zu einem Massengrab verwandelt, ist der FPÖ egal, Hauptsache es tangiert Österreich nicht. Haben Flüchtlinge auch ein Recht auf Leben oder nur "unsere" Österreicher? Vertritt Hofer das Wert "Leben" in einem christlichen Sinn?

Entspricht es dem christlichen Wert "Familie", wenn Familienzusammenführung von Flüchtlingen erschwert, wenn nicht verunmöglicht werden, wenn Familien zerrissen, Kinder von ihren Eltern getrennt werden? Die Mission von Hofer lautet denn auch nicht Glauben, sondern Macht: Als Bundespräsident soll er der FPÖ ermöglichen, den Bundeskanzler zu stellen, ob über den Weg der Entlassung der Bundesregierung und Neuwahlen oder nach den nächsten regulären Wahlen. Entspricht die rücksichtlose Umsetzung eines Anspruchs auf irdische Macht dem Vorbild Jesu?

Die Liste ließe sich fortsetzen. Wer von den beiden Kandidaten nun eher die Werte Leben, Freiheit und Familie in einem christlichen Sinn vertritt, darüber kann sich jeder selbst ein Bild machen. Was aus christlicher Sicht jedenfalls nicht geht, ist, zu fordern, dass es Familie, Freiheit und Leben nur für Menschen mit österreichischer Staatsbürgerschaft geben soll – denn das würde eine zutiefst unchristliche Einstellung offenbaren und dem universalen Anspruch des Christentums zuwiderlaufen. (Niku Dorostkar, 31.10.2016)