Port-au-Prince – Der Hurrikan "Matthew" hat im Karibikstaat Haiti Schäden in einer Höhe von fast zwei Milliarden Dollar angerichtet. Untersuchungen der Weltbank und der Interamerikanischen Entwicklungsbank bezifferten die Schäden und wirtschaftlichen Verluste auf 124 Milliarden haitianische Gourde (1,89 Milliarden Dollar), teilte das Ministerium für Wirtschaft und Finanzen am Freitag in Port-au-Prince mit.
Die Schäden machen demnach etwa ein Fünftel des Bruttoinlandsprodukts aus. Der verheerende Sturm, bei dem Anfang Oktober nach offiziellen Angaben 546 Menschen starben, traf ein Land, das als eines der ärmsten der Welt gilt. Besonders stark wurde der Süden Haitis getroffen, der als Kornkammer des Landes betrachtet wird. Dort wüteten Stürme mit 250 Stundenkilometern und sintflutartige Regenfälle.
Allein die Verluste in der Landwirtschaft belaufen sich den Schätzungen zufolge auf fast 600 Millionen Dollar (549,35 Mio. Euro). Mehr als 175.000 Menschen verloren ihr Dach über dem Kopf, womit sich die Schäden den Ökonomen zufolge um weitere 600 Millionen Dollar erhöhen.
Wasserversorgung in Mitleidenschaft gezogen
Es fehlt den Betroffenen an Unterkünften, Trinkwasser und Nahrungsmitteln. Einige abgelegene Gemeinden sind immer noch von der Umwelt abgeschnitten. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) warnt nun vor einer Nahrungsmittelknappheit.
Ein Großteil der Ernteerträge in den betroffenen Regionen Sud, Grand Anse und Nippes ist entweder zerstört oder überschwemmt worden, die meisten Nutztiere werden vermisst oder sind tot. "Bei unseren medizinischen Konsultationen berichten Patienten, sie wüssten nicht, wie sie ihre Familien ernähren sollen", sagte Emmanuel Massart, MSF-Projektkoordinator in Grand Anse, am Samstag.
Brunnen, Wasserleitungen und -speicher wurden beschädigt, die Wasserversorgung damit in Mitleidenschaft gezogen. "Die Regenfälle der folgenden Tage haben die Anlagen noch weiter angegriffen. Die Menschen hatten keinen Zugang zu sauberem Wasser", so Ärzte ohne Grenzen. Mehrere Brunnen entlang der Küstenlinie von Port-a-Piment bis nach Les Coteaux waren der Hilfsorganisation zufolge mit Salzwasser kontaminiert. In die Wasserquellen in den Bergen und Tälern soll teilweise nicht trinkbares Flusswasser oder Schutt gelangt sein.
Entlegene Dörfer waren bereits vor dem Hurrikan nur schwer zu erreichen. Nun sind sie kaum noch zugänglich. Die Helfer befürchten, dass sich das auf den Gesundheitszustand der betroffenen Bevölkerung auswirken wird. "Frauen, Männer und Kinder sind in einer sehr prekären Lage", erklärte Chiara Burzio, medizinische Notfallkoordinatorin von Ärzte ohne Grenzen. Burzio sorgt sich vor allem um das gestiegene Risiko ansteckender Krankheiten wie Cholera und den sich verschlechternden Ernährungszustand von Kindern unter fünf Jahren in den isolierten Gegenden.
Der bitterarme Karibikstaat hat sich noch immer nicht von den Folgen des verheerenden Erdbebens des Jahres 2010 erholt, weshalb die erneute Naturkatastrophe die Menschen dort besonders hart trifft. (APA, AFP, 29.10.2016)