Die extreme Rechte schürt den Bürgerkrieg, indem sie vor ihm warnt, die Warnung und die Drohung sind bei denen so wenig auseinanderzuhalten wie bei einem Mafiapaten, der seinen Rivalen warnt, er möge aufpassen, dass er keine Kugel ins Knie bekommt. Doch darüber hinaus gibt es noch einen zweiten, einen sekundären Aspekt: diese Angstlust vor und nach dem Bürgerkrieg, diese Geilheit nach Gewalt, die aber verbunden ist mit totaler Angst. Einer Angst, die ein wohliger Schauer ist, eine Vorstellung, von der man nicht lassen kann, obwohl sie einen zugleich mit Panik erfüllt.

Seltsam, dass in dieser aufgeregten Debatte noch niemand an das kleine Büchlein dachte, das Hans Magnus Enzensberger bereits 1993 herausbrachte: "Aussichten auf den Bürgerkrieg". Schon damals verkündete Enzensberger im Seher-Ton, unsere Gesellschaften würden von innen heraus zerfallen und in "molekulare Gewalt" versinken. Nicht wenige fragten sich damals, was den ansonsten so luziden Denker geritten haben mag.

Jedenfalls: 26 Jahre sind vergangen, und noch immer kein Bürgerkrieg.

Aber vielleicht wird's ja diesmal was. (Robert Misik, 30.10.2016)