Plastik schadet nicht nur der Umwelt, sondern auch den Menschen, betonen Forscher.

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Das erfrischend duftende Duschgel, der flauschige Kunstfaserteppich im Wohnzimmer oder der Käse aus der Frischhaltebox. Zigmal am Tag kommen wir mit Plastik in Berührung. Darin enthaltene Zusatzstoffe wie Weichmacher oder Stabilisatoren gelten als potenzielles Gesundheitsrisiko.

So wurde bereits in mehreren Studien ein Zusammenhang zwischen synthetischen Chemikalien und sogenannten Volkskrankheiten wie Übergewicht oder Diabetes festgestellt. Synthetische Zusatzstoffe wie Phthalate (Weichmacher), Pestizide oder polychlorierte Biphenyle (PCB) können Stoffwechselstörungen verursachen. Sie bringen die Produktion und Regulierung der körpereigenen Hormone durcheinander und können Erkrankungen wie Adipositas und Diabetes fördern.

Volkswirtschaftlicher Schaden

Wissenschafter haben diese Problematik jetzt von der volkswirtschaftlichen Seite beleuchtet. Ziel der im "Journal of Epidemiology & Community Health" veröffentlichten Studie war es, die Auswirkungen dieser endokrin wirksamen Stoffe zu quantifizieren und die finanziellen Folgen auf das Gesundheitssystem aufzuzeigen.

Die Hypothese der Forscher: Würde sich der Kontakt mit gesundheitsgefährdendem Plastik um ein Viertel verringern, könnten europaweit rund 150.000 Fälle von Diabetes vermieden und jährlich 4,5 Milliarden Euro an Gesundheitskosten gespart werden. Zusätzlich ließe sich die Verbreitung von Übergewicht und Adipositas reduzieren – und damit rund 14 Milliarden Euro an Behandlungskosten.

Mögliche Effekte einer Gewichts- und Plastikreduktion

Als Basis für die Analyse dienten die in einem Zeitraum von zehn Jahren gesammelten Daten der schwedischen Studie Prospective Investigation of the Vasculature in Uppsala Seniors Study (PIVUS). Die Blutproben von mehr als tausend 70- bis 75-jährigen Probanden aus der schwedischen Stadt Uppsala gaben darüber Aufschluss, wie sehr die Menschen synthetischen Zusatzstoffen wie Phthalaten, Dichlordiphenyldichlorethenen (DDE), polychlorierten Biphenylen (PCB) oder perfluorierten Chemikalien ausgesetzt waren. Als nächsten Schritt schätzten die Forscher die Anzahl der Diabetes-Fälle in dieser Altersgruppe und kalkulierten die jährlichen Behandlungskosten über einen Zeitraum von zehn Jahren.

Aus der Fülle an gesammelten Daten errechneten die Wissenschafter, wie sich ein um 25 Prozent verringerter Body-Mass-Index (BMI) beziehungsweise der um 25 Prozent reduzierte Kontakt mit vier ausgewählten chemischen Plastikzusatzstoffen auf das Diabetes-Risiko auswirken würde.

Das Ergebnis: Wäre die Bevölkerung synthetischen Zusatzstoffen weniger stark ausgesetzt, könnte die Verbreitung von Diabetes um 13 Prozent sinken. Das heißt: 152.481 weniger Neuerkrankungen und somit 4,5 Milliarden an Kosteneinsparungen für das Gesundheitssystem pro Jahr. Ein um ein Viertel niedrigerer BMI könnte außerdem die Verbreitung von Diabetes in der untersuchten Alterskohorte um 40 Prozent reduzieren. In absoluten Zahlen: jährlich 469.000 weniger Erkrankungsfälle und um 13,9 Milliarden Euro geringere Folgekosten.

Strengere Auflagen gefordert

Den Forschern ist bewusst, dass ihre Schätzungen auf einer sehr limitierten Datenlage basieren. Sie betonen aber, dass bereits zahlreiche andere wissenschaftliche Untersuchungen einen Zusammenhang zwischen einzelnen im Plastik enthaltenen Chemikalien und einem erhöhten Risiko für Typ-2-Diabetes feststellen konnten.

Deshalb seien strengere regulative Rahmenbedingungen für den Einsatz chemischer Zusatzstoffen nötig. Mögliche Gefahren müssten schon vor der großflächigen Verbreitung der Chemikalien in Alltagsprodukten ausgemacht und weniger gesundheitsgefährdende Alternativen gefunden werden. Die Studienautoren warnen: "Ohne solche Rahmenbedingungen könnten neu entwickelte synthetische Chemikalien, die möglicherweise ebenfalls Typ-2-Diabetes fördern, die bereits verbotenen Stoffe ersetzen." (maka, 2.11.2016)