Wien – Wenn man Rudi Dolezal und Hannes Rossacher für irgendetwas danken muss, ist es die Kreation der Phrase "Weltberühmt in Österreich". Genau das ist Thorsteinn Einarsson nämlich, der als Angeklagter vor Daniel Rechenmacher sitzt. Der 20-Jährige soll im Februar in einem Lokal einen Mann bedroht und genötigt haben.

Einarsson wurde durch seine Teilnahme an der TV-Casting-Show "Die große Chance" bekannt, obwohl er nur den vierten Platz belegte. Das Lied, das er damals zum Besten gab, brachte ihm allerdings Platz sechs in der Hitparade, einen Musikpreis und genügend Popularität, dass er sogar beim Wiener Donauinselfest auftrat.

Bei diesem Verfahren legt er dagegen keinen Wert auf Popularität und Medienpräsenz. Vor einem Pressefotografen versteckt er sein Gesicht unter einem Mantel, am liebsten würde er wohl überhaupt die Öffentlichkeit aus dem Saal verbannen. Der Grund mutet in einer aufgeklärten Gesellschaft des 21. Jahrhunderts seltsam an: Der heterosexuelle Einarsson will offensichtlich nicht einmal in die Nähe der Schwulenszene gerückt werden.

Gegen Spind gedrückt

In einem in der Homosexuellen-Community beliebten Lokal soll er von einem 33-Jährigen verlangt haben, dieser solle das Lokal hurtig verlassen. Die Aufforderung soll der Angeklagte dadurch unterstrichen haben, dass er ihn gegen den Spind einer Umkleidekabine drückte, ihm ein Limit von drei Sekunden setzte und mit einem Kieferbruch sowie dem Erwürgen bedrohte.

Einarsson leugnet das und kann sich den Vorwurf überhaupt nicht erklären. Er sei mit Freunden in der Früh noch in das Lokal gegangen, zu einem "Absacker", wie man in Österreich so sagt. "Wussten Sie von der Einschlägigkeit des Lokals?", will Rechenmacher wissen. "Ja, aber ich habe eine Freundin."

Richterliche Defizite

Das Lokal ist zweigeteilt: Ein Gang trennt den öffentlichen Barbereich von der Umkleidekabine und der Sauna, für die man Eintritt zahlen muss. Der Angeklagte beteuert, den Barbereich nie verlassen zu haben. "Warum soll Sie der Herr aber belasten? Fraglich ist, ob er Sie überhaupt kennt, das muss ja nicht jeder wissen", scheint Rechenmacher auf eigene Wissenslücken in der zeitgenössischen Mädchenschwarmszene hinzuweisen. "Keine Ahnung", lautet die Antwort.

Das angebliche Opfer schildert die Sache anders. Auch er sei mit einigen Bekannten in das Lokal gekommen. Er sei in den Umkleideraum gegangen, dann noch einmal zurück, um mit einem der Bekannten etwas wegen des Eintritts zu klären.

Plötzlich sei der Angeklagte neben ihm gestanden und habe gestänkert. "Haben Sie den Mann vorher gekannt?" – "Nein, überhaupt nicht. Das hat mir erst nachher wer gesagt." Der Zeuge bleibt bei seiner Aussage: Er sei bedroht worden, als er aus Angst tatsächlich ging, habe ihm Einarsson noch die in der Bar befindliche Jacke entgegengeschleudert.

Drei Merkwürdigkeiten

In der Angelegenheit gibt es allerdings drei Merkwürdigkeiten. Bei der Polizei hatte der an sich durchaus glaubwürdige Zeuge noch behauptet, der Angreifer habe nur ein Handtuch getragen. Davon ist nun keine Rede mehr. Dazu kommt, dass er einfach gegangen ist, ohne mit seinen Begleitern noch irgendwie über den angeblichen Vorfall zu sprechen. Und schließlich gibt es auch keinen einzigen Zeugen, der einen Streit oder eine durch die Luft segelnde Jacke gesehen hat.

Selbst die Staatsanwältin konzediert in ihren Schlussworten einen "nicht aufzuklärenden Widerspruch" hinsichtlich des Handtuchs und hält eine Verwechslung für möglich. Rechenmacher sieht die Widersprüche ebenso und spricht Einarsson daher rechtskräftig frei. (Michael Möseneder, 31.10.2016)