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Die Geisterstadt Gwalia wirkt wie ein Freiluftmuseum für das Goldfieber in Westaustralien.

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Gigantische Ausmaße: die Super-Pit-Mine.

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Ein australischer Goldbarren: Australien produziert nach China das meiste Gold.

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Auf der Suche nach Gold warten 40 Touristen bei 39 Grad auf den Tourbus. Sie wollen zur größten Goldmine Australiens, zur Super Pit. Sobald sie den Bus betreten, geben sie ihr Einverständnis, sich jederzeit einer Leibesvisitation zu unterziehen. Man könnte ja tatsächlich einen Goldklumpen finden und einstecken. Der ist allerdings nicht inkludiert in der Tour.

Die Super-Pit-Mine ist das Wahrzeichen von Kalgoorlie, einem kleinen Städtchen im Südwesten Australiens, 600 Kilometer östlich von Perth. Der Ort liegt im Outback und ist Ausgangspunkt für den Golden Quest Discovery Trail – eine 965 Kilometer lange, weitverzweigte Selbstfahrertour voller Legenden und eigenwilliger Menschen. Straßen führen über roten Staub, vorbei an verlassenen Goldgräberstädten und noch intakten Goldminen, und die Reise beginnt hier in Kalgoorlie.

Gewaltige Ausmaße

Der Ort ist eine Ansammlung meist einstöckiger Häuser, die sich von der zentralen Hannan Street aus wie auf einem Schachbrett ausbreiten. Dazwischen ein paar viktorianische Bauten. 30.000 Menschen leben hier, die meisten sind unter 30 und im Bergbau tätig. Die Spitze der Turmuhr soll mit zwanzigkarätigem Gold verziert sein, heißt es. 150.000 Touristen kommen jedes Jahr in die australische Hauptstadt des Goldes, und fast alle wollen zur Super Pit, sagt Busfahrer Matt. Der Enddreißiger ist stolz darauf, viele Jahre selbst in der Mine gearbeitet zu haben. Heute chauffiert er Touristen dorthin.

Die Mine an der südöstlichen Stadtgrenze ist hinter einem Erdwall versteckt: eine riesige Wunde in der rostroten Erde Westaustraliens. Ihre Ausmaße sind derart gewaltig, dass man sie vom Weltall aus sehen kann: fast vier Kilometer lang, zwei Kilometer breit und mit 620 Metern mehr als viermal so tief, wie der Stephansdom hoch ist.

Begonnen hat alles vor über 120 Jahren: 1893 findet der irische Auswanderer Paddy Hannan durch Zufall einen Goldklumpen. Wie Heuschrecken fallen zehntausende Goldsucher und Glücksritter in die unwirtliche Gegend ein. In wenigen Jahren durchlöchern sie die Region mit ihren Schächten und Stollen wie einen Schweizer Käse.

Das ältestes Bordell Westaustraliens

1.100 Menschen arbeiten heute in der Super Pit, ein Lkw-Fahrer verdient im Jahr rund 65.000 Euro – Geld, das in Restaurants und Pubs unter die Leute gebracht werden will. Oder in der Hay Street, einer ruhigen Seitenstraße Kalgoorlies. Dort steht die Questa Casa, ein flacher, langgezogener Holzbau mit einer schweinchenrosa Fassade aus Zinkblech und einem Dutzend Eingangstüren. "Dieses Haus wurde 1904 errichtet", erklärt Madam Carmel, die so zeitlos wirkt wie das Geschäft, das sie betreibt. Mit leiser Stimme und der Intonation des englischen Hochadels umreißt sie ihr Metier: Madam Carmel betreibt das älteste Bordell Westaustraliens.

Am Nachmittag ist kaum jemand in Kalgoorlie unterwegs. Erst abends, wenn das letzte Tageslicht die rosa Fassade der Questa Casa zum Glühen bringt, wird die erste Kundschaft kommen. Zeit also, den Bordellbetrieb von damals näher zu erläutern. Denn Madam Carmel ist auch die Fremdenführerin ihres Hauses.

Großer Goldrausch

Der Golden Quest Discovery Trail in den Eastern Goldfields führt durch ein Gebiet von der Größe Griechenlands. Entlang verlassener Goldfelder, Minenanlagen und Siedlungen wird die Geschichte des Goldrauschs erzählt und was davon geblieben ist – etwa in Kookynie.

Einst war Kookynie eine reiche Goldgräberstadt, tausende Menschen lebten hier. "Jetzt ist davon nur noch eine Handvoll Leute übrig geblieben, von denen die meisten oft unterwegs sind, um irgendwo zu arbeiten", sagt Margaret Pusey. Zusammen mit ihrem Mann Kevin betreibt sie das Grand Hotel, ein flaches Haus aus Ziegeln, Holz und Wellblech, Herberge für Trucker und Minenarbeiter auf der Durchreise. Kevin, stilecht im Muscle-Shirt und Heavy-Metal-mäßig tätowiert, schraubt hinten im Hof an seinen beiden Harleys herum. Abends wird er zu einem exzellenten Koch.

Margaret Pusey steht hinter der Ausschank mit den dutzenden Schnapsflaschen aus aller Welt und dem Sammelsurium aus 25 Jahren im Outback: ausgestopfte Vögel und Reptilien neben Fähnchen und Schlüsselanhängern, Ketchup, Kaugummi und Emufedern. Vor dem Zapfhahn für Swan-Bier bittet eine Spardose um Spenden für Blindenhunde. Das 1902 eröffnete Grand Hotel ist eine Legende. Dass die beste Zeit des Hauses Geschichte ist, daran besteht kein Zweifel. Vor dem Eingang mit der Zapfsäule für Benzin schützen verblichene Markisen vor Sonne und Staub, schon seit langem steht das Haus zum Verkauf.

Schürfrecht für Touristen

Der Geländewagen donnert über die wellige Piste auf dem Weg zu Kiri Lucas. Die resolute Mittdreißigerin mit langen braunen Haaren ist Inhaberin des Ora Banda Inn. Zu behaupten, der Pub sei das wichtigste Gebäude in Ora Banda, ist eine Untertreibung. Ora Banda ist der Pub. Wie jeder in der Gegend sucht auch Kiri Lucas in der Freizeit nach Gold. Und alle träumen vom Big Nugget. Sie habe sogar ein Gelände dafür gepachtet, denn beim Goldsuchen muss alles mit rechten Dingen zugehen. Dafür muss man umgerechnet 20 Euro in die Hand nehmen, in das Büro der staatlichen Minenaufsicht in Kalgoorlie marschieren, seinen Pass vorlegen, dann bekommt man eine Schürflizenz. Das Miner's Right ist auf Lebenszeit gültig – auch für Touristen.

Weiter nördlich liegt das Geisterstädtchen Gwalia. Als die nahe Mine 1963 geschlossen wurde, blieben kleine Wellblechhütten zurück, spärlich möbliert. Auf einem Herd steht noch die Teekanne, neben dem verrosteten Auto liegt der Schraubenschlüssel. Eine Patina des Verfalls liegt über den Gegenständen. Dagegen strahlt von oben auf einer kleinen Anhöhe ein Haus viktorianischen Glanz aus.

Optimierung

Das Haus wurde 1898 für Herbert Hoover gebaut. Bevor er der 31. Präsident der USA wurde, arbeitete der 25-Jährige als Manager in der Mine von Gwalia. Er führte sie mit eiserner Hand, ergriff rigorose Optimierungsmaßnahmen zulasten der vorwiegend italienischen Arbeiter. Tagsüber kann man das Heim des Minenmanagers besichtigen, nachts in seinem Bett schlafen. Dann wird das Hoover-Haus zum Bed and Breakfast.

Ein paar Autominuten von der Gwalia-Mine entfernt erinnert der Pub White House bis heute an ihn. Das Museum von Gwalia ist der Ort, an dem sich die Jagd nach Gold in den Eastern Goldfields wie in einem Brennglas sammelt. Die Exponate: hölzerne Bohrtürme und Dampfwinden, mit denen die Männer 1.500 Meter tief im Boden verschwanden; rostende Erzloren, Walzen, Kutschen.

Sehnsucht und Qual

Vielleicht fünf Prozent der Goldsucher wurden reich, für den Rest blieb alles nur ein Traum. Pracht und Elend lagen nah beieinander: hier die nach Möbelpolitur duftenden Gemächer des Tycoons, dort die in Sichtweite liegenden Wellblechhütten der alten Minensiedlung. Zeugnisse der rücksichtslosen Ausbeutung der Natur. Damals, als ganze Landstriche abgeholzt wurden, um die Maschinen der Goldsucher zu befeuern. Heute in der Gier der modernen Gwalia-Goldmine, deren Krater bis zum Zaun des Hoover House reicht. Nur der Denkmalschutz bewahrt es davor, in die Tiefe ihres Trichters gerissen zu werden.

In Gwalia werden auch die Sehnsüchte und Qualen der Arbeiter sichtbar, die nach einem eiskalten Hannan-Bier lechzten und mit der Schrotflinte das Warnschild vor Geschlechtskrankheiten zersiebten. All das ist hier versammelt, die Quintessenz der Suche nach dem australischen Eldorado. (Michael Marek, RONDO, 4.11.2016)