Nach dem Global Gender Gap Report des Weltwirtschaftsforums (WEF) liegt Österreich in der Gleichstellung von Frauen von 144 Staaten nur an 52. Stelle. Wie immer bei diesem Thema empören sich Medien und betonen, dass Länder wie Ruanda, Burundi, Kasachstan und Nicaragua in der Rangliste besser als wir liegen. Ein Medium wiederholte das gleich viermal.

Tatsächlich ist die Botschaft, Österreich liege schlecht oder gar hinter Ländern aus der Dritten Welt, absurd, und die Methoden des Reports sind unseriös und manipulativ. Warum verbreiten die meisten Medien die Botschaft dann unkritisch? Wohl deshalb, weil das Ergebnis zu Zeitgeist und Stimmung passt: In Österreich ist derzeit alles furchtbar, und Frauen sind in allem diskriminiert. Folgerichtig war der Report gleich Anlass, weitere Gleichstellungsmaßnahmen in Österreich zu fordern.

Aber zu den Fakten: Der Global Gender Gap Report soll nicht Lebensqualität, Rechte, Chancen, Einkommen von Frauen messen, sondern die Gleichstellung mit dem Mann. Und klar, je gleicher die Geschlechter, desto besser schneidet ein Land in diesem "Wettbewerb" ab. Dass Gleichstellung oft von den Menschen gar nicht gewünscht wird und jeweils einem Geschlecht auch Verschlechterung bringen kann, wird ignoriert: So ist die Angleichung der Einkommen aus Frauensicht sicherlich wünschenswert. Aber wünschen sich Frauen auch, im Schnitt genauso kurz zu leben wie Männer?

Natürlich nicht. Daher vergibt der Report hier das Topranking für Gleichstellung nicht an Länder, in denen die Lebenserwartung von Mann und Frau gleich ist, sondern an Länder, wo der Rückstand der Männer besonders groß ist. So wird Russland hier an erster Stelle gereiht, weil Frauen dort im Schnitt elf (!) gesunde Lebensjahre mehr haben als Männer. Die Niederlande liegen hingegen nur auf Rang 115, weil Frauen dort nur einen Vorsprung von zwei Jahren haben (dass sie viel älter werden als Russinnen, ist egal). Bei der Gleichstellung, auf die der Report abzielt, werden Unterschiede, bei denen Männer im Nachteil sind, positiv gewertet.

Keine Zahlen

Aber kommen wir zum "Killerkriterium" in Österreich, der Einkommensgleichheit. Dieses Kriterium ist ein Grund, warum Österreich in der Kategorie Wirtschaftschancen für Frauen mit Platz 84 besonders schlecht abschneidet. Nummer eins ist hier Ruanda. Dass das Erwerbseinkommen von Ruanderinnen selbst nach dem Report 22-mal (!) so gering ist wie das von Österreicherinnen, ist unerheblich. Entscheidend ist die Einkommensgleichheit von Mann und Frau. Leider gibt es dazu in Ruanda keine Zahlen, deshalb beruht die Wertung hier auf einer Umfrage unter Führungskräften, die offenbar wissen oder zumindest glaubwürdig behaupten, dass in Ruanda Frauen gleich wenig verdienen wie Männer. Nun kann man einwenden, dass bei einem Durchschnittseinkommen von weniger als 150 US-Dollar im Monat der Unterschied zwischen Mann und Frau sicher eh nur "eine Handvoll Dollar" ausmacht.

Auch in der Kategorie Bildungschancen sollte sich Österreich (hier nur Platz 86!), wenn es nach dem Report geht, an Vorbildern wie Lesotho und Nicaragua orientieren, die hier alle Topplätze aufweisen. Zwar sind nach dem Report 17 Prozent der Frauen in Nicaragua Analphabeten, aber das wenden hier nur Kleingeister ein.

Bei der politischen Partizipation von Frauen liegt Österreich einen Platz hinter Angola. Dass der Präsident in Angola seit 37 Jahren an der Macht ist und das Land nicht als Demokratie gilt, interessiert offenbar weder das Weltwirtschaftsforum noch die Medien, die begierig verbreiten, Österreich läge hinter afrikanischen Ländern.

Vor diesem Hintergrund ist es konsequent, dass der Report so "unwesentliche" Faktoren wie ein unterschiedliches gesetzliches Pensionsantrittsalter oder die Wehrpflicht für ein Geschlecht nicht berücksichtigt. Das könnte ja die Botschaft verwässern. Also: Auf nach Ruanda!

PS: Man tut der Sache der Frau (und des Mannes) nichts Gutes, wenn man mit unseriösen Vergleichen agiert. Damit wird das, was in Österreich und Europa in der Gleichberechtigung erreicht wurde, schlechtgeredet und die großteils miserable Lage der Frau in der Dritten Welt schöngefärbt. (Rolf Gleißner, 2.11.2016)