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Beirut – Ist nun die Wahl von Michel Aoun zum libanesischen Präsidenten nach 29-monatigem Patt ein Beweis für die neue Kompromissfähigkeit der politischen Parteien in Beirut – oder doch einfach ein Sieg der schiitischen Hisbollah, deren Kandidat Aoun war, und damit des Iran? Man rätselt, was für ein Präsident der 81-Jährige, der seit 2005 auf den Posten wartete, sein wird. Ein Interessenpolitiker für seine Partei, die Freie Patrio tische Bewegung (FPB), deren Führung er allerdings abgab – an seinen Schwiegersohn, Außenminister Gebran Bassil? Wird er sich der Hisbollah gegenüber dankbar erweisen sowie der von dieser angeführten "8. März Allianz" – der allerdings auch die schiitische Amal angehört, die ihn am Montag im Parlament nicht wählte?

Oder strebt Aoun im Zenit seines politischen Lebens wirklich eine neue Rolle an, als Einiger des Libanon? Diese Figur lässt sich in seiner Biografie – die in ihren vielen Wendungen auf wenig Raum nur schwer nachzuerzählen ist – kaum ausmachen. Auch der Schwenk vom früheren radikal antisyrischen Politiker zum Kandidaten einer Gruppe, die in Syrien militärisch für den Erhalt des Assad-Regimes kämpft, geschah ja allein deshalb, weil ihn die anderen nicht zum Präsidentschaftskandidaten machen wollten.

Abkommen nicht anerkannt

Das geschah, nachdem Aoun 2005 aus dem französischen Exil zurückgekehrt war: Der maronitische Christ war am Ende des libanesischen Bürgerkriegs Generalstabschef der libanesischen Armee und von 1988 bis 1990 Chef einer von Präsident Amine Gemayel ernannten Militärregierung (zu der es eine Gegenregierung gab). Aouns vom Präsidentenpalast aus geführter "Befreiungskrieg" richtete sich gegen die Syrer und forderte viele Opfer. Das Taif-Abkommen, das 1989 den Bürgerkrieg beendete, erkannte er nicht an, schon allein deshalb nicht, weil es den Einfluss der Maroniten in der libanesischen Politik schwächte. 1990 floh Aoun aus dem Libanon und kehrte erst 2005 nach dem Abzug der Syrer wieder zurück.

Auch die Maroniten sind im Libanon uneinig: Nicht alle haben Aoun, dessen von ihm 2005 gegründete FBP die stärkste Christenpartei im Parlament ist, am Montag gewählt. Aoun stammt aus einfachen Verhältnissen aus Haret Hreik in Südbeirut. Die militärische Karriere ermöglichte ihm den Aufstieg. Er ist Vater dreier Töchter, Claudine, Mireille und Chantal, die wie ihre Ehemänner wichtige Positionen in seinem Netzwerken einnehmen. (Gudrun Harrer, 1.11.2016)