Berlin/Zürich – Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich strikt gegen eine Vermischung der EU-Verhandlungen mit der Schweiz und Großbritannien ausgesprochen – auch wenn es in beiden Ländern um die Einschränkung der Freizügigkeit für EU-Bürger geht.

Die EU solle die Gespräche mit der Schweiz in Zuwanderungsfragen so führen, als ob es keine Brexit-Entscheidung gegeben hätte, sagte Merkel am Mittwoch nach dem Treffen mit dem Schweizer Bundespräsidenten Johann Schneider-Ammann.

"Die deutsche Position hat sich durch den Brexit nicht verändert", sagte sie und wies auf das große deutsche Interesse an einem guten Abkommen schon wegen der vielen deutsch-schweizerischen Grenzgänger hin. "Für mich sind das zwei völlig unterschiedliche Sachverhalte", sagte sie mit Blick auf die anstehenden Austritts-Verhandlungen mit der britischen Regierung. Auch Schneider-Ammann forderte eine Trennung beider Thema.

Hintergrund ist, dass die EU derzeit nicht nur mit Großbritannien nach der Brexit-Entscheidung über die Freizügigkeit von EU-Bürgern verhandeln muss. Die Briten wollen den Zuzug von EU-Bürgern auf die Insel einschränken. Auch die Schweizer hatten sich im Februar 2014 mit der sogenannten Masseneinwanderungsinitiative für eine Begrenzung des Zuzugs von EU-Bürgern ausgesprochen. Seither gibt es schwierige Verhandlungen: Denn wie im Falle Großbritanniens pocht die EU darauf, dass die Akzeptanz der vier EU-Grundfreiheiten für Arbeitnehmer, Kapital, Güter und Dienstleistungen die Voraussetzung für den vollen Zugang zum EU-Binnenmarkt ist.

Die Schweizer Justizministerin Simonetta Sommaruga und etliche Experten hatten gesagt, dass sie eine Verhärtung der EU-Position gegenüber der Schweiz erwarten, weil die Union keinen Präzedenzfall für einen anstehenden EU-Großbritannien-Verhandlungen liefern wolle.

Merkel widersprach dem Schweizer Bundespräsidenten, der vor dem Treffen ein Rahmenabkommen mit der EU abgelehnt hatte. Mit einer solchen Vereinbarung will die EU die rund 120 sektor-spezifischen Verträge, die die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU derzeit regeln, ersetzen. Davon wäre auch das Streitthema Zuwanderung betroffen. Zumindest mittelfristig brauche man einen solch umfassenden Vertrag, mahnte die Kanzlerin.

Ob die Schweizer Regierung es schaffen wird, rechtzeitig sowohl die Vorgaben des Referendums als auch die Forderungen der EU zu erfüllen, sagte Schneider-Ammann nicht. Die Frist dazu läuft im Februar 2017 aus. Er hoffe aber auf eine schnelle Lösung. Die Schweizer Regierung wolle versuchen, im Winter ein Ergebnis "herzuzaubern", sagte er mit Blick auf den Widerspruch durch den Referendumsauftrag, die Zuwanderung zu begrenzen, und die EU-Forderung, genau dies nicht zu tun. Merkel äußerte sich jedoch optimistisch, dass es der EU gelingen werde, eine Vereinbarung mit der Schweiz zu schließen. (APA/Reuters, 2.11.2016)