Das Neue Rathaus von Laa an der Thaya. Bis 1945 war im zweiten Stock das Heimatmuseum untergebracht.

Foto: Michael Lehner

Archäologische Objekte der Prähistorischen Abteilung während der Neuaufstellung des Museums im Jahr 1929/30. Eines von drei erhaltenen Fotos der Einrichtung.

Foto: Fotoarchiv Laa/Thaya

Ein Tauschvertrag des Heimatmuseums mit dem Wiener Naturhistorischen Museum aus dem Jahr 1933 – eine der wenigen Quellen zu den ehemaligen Beständen.

Foto: Leopold Toriser

Auf der Suche nach verschollenen Ausstellungsobjekten auf dem Dachboden des ehemaligen Bürgerspitals. Im Bild Sophie Rabitsch.

Foto: Leopold Toriser

Ein Eintrag aus dem Eingangsbuch vom 7. Dezember 1907: "Ausgrabung am neuen städt. Friedhof in Laa. 2 thönerne Grabschalen".

Foto: Michael Lehner

Ende November 2015 nahmen meine Kollegin Edith Nechansky und ich ein Projekt an, das einem in unserem Metier vielleicht nicht allzu oft begegnet. Wir waren von Michael Lehner, dem Obmann des Vereins zur Förderung der Erneuerung von Laa an der Thaya, damit betraut worden, die Überreste eines Museums aufzuarbeiten, das seine Pforten vor 70 Jahren für immer geschlossen hatte – des "Heimatmuseums der Stadt Laa an der Thaya und Umgebung", einer Art Universalmuseum, das die Geschichte der Region von ihren geologischen Anfängen bis in die Gegenwart zeigen wollte.

Die Ausgangslage gestaltete sich frustrierend: Beinahe sämtliche schriftliche Unterlagen dieser Institution waren verloren gegangen. Ein sehr kurz gefasster Museumsführer aus dem Jahr 1930, drei alte Fotografien der Schausäle und zwei Akten stellten im Prinzip unsere einzigen Quellen dar. Eine eher dünne Suppe. Die Museumsbestände waren, wie es der Laaer Stadthistoriker Rudolf Fürnkranz ausdrückt, zum größten Teil "in dunklen Kanälen verschwunden". Der Archäologe Herbert Mitscha-Märheim sprach bereits in einem Artikel im Jahr 1950 davon, dass einige Stücke "anlässlich der Kriegsereignisse im Frühjahr 1945 […] in Verlust geraten" waren.

Eingelagert am Dachboden

Und dabei war das Jahr 1945 noch gar kein offizielles Sterbedatum für die Einrichtung gewesen. Die Bestände wurden vor Kriegsende auf diversen Dachböden zunächst in Sicherheit gebracht. Auf jenem des Rathauses, in dem das Museum ursprünglich untergebracht war, auf dem des Gymnasiums und dem der Burg. Angeblich mussten die Bestände mehrmals umziehen.

Im Jahr 1950 wird der ehemalige Kurator Friedrich Kohlhauser Bürgermeister. Die erste Gelegenheit, das Museum wiederaufzustellen, verstreicht. Kohlhauser stirbt 1952 unerwartet. Wieder vergehen Jahre. Leopold Czech, der letzte Kurator des Museums in der Zeit vor 1945, wird 1960 zum Bürgermeister gewählt. Er kündigt an, das Museum in der mittelalterlichen Burg neu aufzustellen – doch dazu kommt es nicht. Im Jahr 1961 wird das Urgeschichtemuseum im nahe gelegenen Asparn an der Zaya gegründet und die Pläne für Laa wieder verworfen. 1968 stirbt Czech als amtierender Bürgermeister. Es fühlt sich niemand mehr zuständig, spätestens jetzt werden die Dachböden zum Selbstbedienungsladen.

Ein Selbstbedienungsladen

Ehemalige Schüler des Gymnasiums erzählen die Anekdote, dass man nach dem Unterricht gerne auf dem Speicher mit alten Waffen spielte und sich zu guter Letzt noch die eine oder andere Steinschlosspistole in den Ranzen steckte. Glasplattennegative aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts endeten bei Dachrenovierungen in Baumulden und so wie andere Gegenstände auf der Mülldeponie. Wertvolle historische Stücke verloren ihre Identität. Archivalien gingen wieder in den Besitz der Gemeinde über. Kurz: Das Museum war Geschichte.

Besonders jammervoll wirkt dieses Ende, wenn man bedenkt, dass das 1907 von einer Gruppe von Laaer Bürgern und Gewerbetreibenden gegründete Museum mit privaten Spenden überhäuft worden war. Damals wollte jeder zu diesem greifbaren Gedächtnis der Stadt etwas beitragen. Nach 1955 war Laa an der Thaya das Dead End von Österreich, wie weiland schon Helmut Qualtinger in seinem "Bundesbahnblues" subtil andeutete. Die Aufbruchsstimmung der Jahrhundertwende war längst verhallt. Vor den Toren der Stadt hatte man einen eisernen Vorhang zugezogen. Wozu noch dieses Museum? Die Bevölkerung hatte schlicht andere Sorgen.

Geschrumpfter Altbestand

Mit der Ausstellung "Blickpunkt Laa" wollte man im Jahr 1974 das Selbstbewusstsein der Stadt wieder stärken. Eine Handvoll junger Laaer, darunter auch mein Vater, wurden dabei auf die schwindenden Restbestände des Heimatmuseums aufmerksam und konnten zunächst aus dem Rathaus und später aus der Villa von Leopold Czech noch kleine Kontingente in Sicherheit bringen.

Als nun wir, Jahrzehnte später, unsere Nachforschungen begannen, war der Altbestand des Museums also auf diese kaum 100 Gegenstände (von über 3.000 im Jahr 1930) geschrumpft. Zu vielen ehemaligen Exponaten gab es nicht die geringsten Anhaltspunkte.

Mammutknochen in der "Rauchkuchl"

Doch es begannen nach und nach weitere Gegenstände aufzutauchen. Bei der Renovierung der mittelalterlichen "Rauchkuchl" im Pfarrhof fand sich ein großes Knochenfragment: ein Schienbeinknochen eines Mammuts, der auch auf einem der alten Fotos zu sehen ist. Eine Pfundwaage und Keramikgefäße inklusive einer Beschriftungstafel aus dem Heimatmuseum kamen hinzu – Gegenstände aus dem Nachlass eines kürzlich verstorbenen Laaer Bürgers. Dann eine Schachtel mit menschlichen Überresten. Ein zartes Pflänzchen der Hoffnung keimte.

Eines stimmte uns jedoch weiterhin pessimistisch: Ohne ein Inventarbuch oder Vergleichbares würden wir keine Klarheit über die Identität dieser Objekte erlangen. Ohne Angaben zu Fundort und Fundgeschichte waren die Gegenstände wertlos. Michael Lehner, der Obmann des Stadterneuerungsvereins, schickte ein Rundmail an die fast 1.000 Mitglieder aus. Eine Zeitlang blieb es ruhig. Im März 2016 erhielt ich einen Anruf und bekam eine unglaubliche Geschichte zu hören.

Das Eingangsbuch taucht auf

Friedrich Stangl, ein Vereinsmitglied, hatte das Eingangsbuch des Heimatmuseums der Jahre 1907 bis 1928 vorbeigebracht. Er hatte es bereits um das Jahr 1950 auf der Mülldeponie gefunden. Mitgenommen hatte er das schon etwas ramponierte Buch damals, weil es aufgeschlagen da lag und er darin den Namen seines Vaters lesen konnte. Eine völlig unerwartete, fast surreale Wendung.

Mit einem Schlag lagen mit diesem ersten Band des Eingangsbuchs die Identitäten von zumindest 1.601 Gegenständen vor. In einem Eingangsbuch werden sämtliche Eingänge eines Museums festgehalten, auch Leihgaben und retournierte Gegenstände sind vermerkt. Wir kannten nun auch die Namen der Spender, vereinzelt fanden sich auch ausführliche Beschreibungen der Fundgeschichte. Wir konnten feststellen, dass die Eingangsnummern mit den Inventarnummern übereinstimmten. Viele Gegenstände konnten über den alten Museumsführer den einzelnen Abteilungen zugeordnet werden, ganz neue Fragen und Antworten tauchten auf. Es war der Jackpot. Unser Museum hatte seine Erinnerung wiedergefunden.

Und die Zukunft?

Wie sich nun die Zukunft der Sammlung gestalten wird, ist noch unklar. Das langfristige, aber sicherlich auch etwas ambitionierte Ziel wäre natürlich eine Neugründung beziehungsweise die Wiedereröffnung des Museums. Der Verein hat uns ein großes Depot zur Verfügung gestellt und unterstützt uns dabei, eine kleine Werkstatt einzurichten. Hier werden wir zunächst die Sammlung, die inzwischen längst nicht mehr nur die Altbestände des Museums umfasst, in einem ersten Schritt dokumentieren und inventarisieren. Für die nähere Zukunft (2017/18) ist eine Ausstellung geplant, die sich mit der Geschichte des Museums befassen wird und in der erstmals seit der Schließung wieder alte Exponate ausgestellt sein werden. Näheres erfahren Sie dann auf der Facebook-Seite des Vereins. (Leopold Toriser, 3.11.2016)