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Aufblasbarer Trump mit Mütze des Ku-Klux-Klans als Protestaktion gegen Donald Trump in Kalifornien.

Foto: Reuters/Patrick T. Fallon

Seit zwei Jahren arbeitet Kira Lerner als Politikreporterin bei "Think Progress", einem vom Center for American Progress finanzierten Digitalmedium. Während der republikanischen Vorwahlen hat sie über Donald Trump berichtet, seither bekommt die 27-Jährige immer mehr Belästigungsnachrichten auf Twitter, besonders antisemitische und sexistische Drohungen.

Im Juli hat Lerner zusammen mit einer Kollegin einen Artikel über den republikanischen Nominierungsparteitag geschrieben, in dem sie die von Trump-Anhängern verkauften T-Shirts, Flyer und Anstecker mit Slogans wie "Trump that Bitch" als sexistisch beschrieb. Auch auf diesen Bericht hin wurden die beiden Frauen auf Twitter belästigt. "Die Tatsache, dass man auf das Offensichtliche zeigt und immer noch dafür angegriffen werden kann, ist alarmierend", sagt Lerner. Als ihr Name auf Twitter in einer Liste jüdischer Journalisten genannt wurde, bekam sie auch Nachrichten wie "Du würdest gut in meinen Ofen passen". Sobald ein Poweruser eine solche Meldung teilt, gerät die Diskussion schnell außer Kontrolle.

Studie: Zunahme von Twitter-Belästigung

Lerner ist damit nicht alleine: Antisemitische Belästigungen auf Twitter sind im Lauf des US-Wahlkampfs zwischen Jänner und Juli "beachtlich gestiegen", lautet das Ergebnis einer Studie der Anti-Defamation League (ADL), die am 19. Oktober veröffentlicht wurde.

Die ADL hat in einem Zeitraum von zwölf Monaten 19.253 offenkundig antisemitische Tweets identifiziert, die an mindestens 800 Journalistinnen und Journalisten geschickt wurden. Die meisten kamen von Trump-Fans (laut ihrer Twitter-Biografie), und sie folgen dem Beispiel ihres Kandidaten, der sich bisher auch nicht deutlich von Neonazis distanziert hat. Sie sind stark von den "Establishment-Medien" enttäuscht, und viele glauben, dass alle Journalisten, die Trump kritisieren, nur den kaputten Status quo der US-Politik erhalten wollen. Diese Enttäuschung verwandelt sich oft in Hass und Wut, die im Internet ihren Kanal finden.

Jeffrey Goldberg, Chefredakteur des "Atlantic", gehört zu den "Top Ten"-Journalisten, die zusammen 83 Prozent dieser Tweets erhalten haben. Im Gespräch mit dem STANDARD sagt er, dass an dem Antisemitismus nichts neu sei. Nur das Medium habe sich geändert: "Heute ist es einfach, die Pamphlete und Bücher darüber online zu finden." Dennoch ist er nicht dafür, dass der Staat die Verbreitung von Hass im Netz stärker kontrolliert. "Mein Problem als Journalist ist, dass ich einerseits gegen jede Zensur bin und will, dass jeder sich ausdrücken kann, wie er möchte", sagt Goldberg. "Auf der anderen Seite will ich aber das Internet dann nicht mehr nutzen."

"Hässlicher" Wahlkampf

Die Journalistin Rebecca Traister, Autorin von "Big Girls Don't Cry. The Election that Changed Everything for American Women" über den Wahlkampf des Jahres 2008, bemerkt, dass 2016 "viel schlimmer" als die vorangegangen Jahre sei: "Der Rassismus, der Sexismus und die Fremdenfeindlichkeit, die durch die Trump-Kampagne angestoßen wurden, haben zu einem besonders abschätzigen Wahlkampf geführt", sagt Traister. "Aber ich glaube auch, dass die erstmalige Wahl einer US-Präsidentin, die auf den ersten afroamerikanischen Präsidenten folgen will, immer hässlich und schmerzhaft gewesen wäre."

Obwohl Kira Lerner hofft, dass die Belästigungen nach der Wahl aufhören, glaubt sie nicht daran. Menschen, die wütend sind und diese Wut auf Journalisten richten, werde es weiterhin geben. "Es wird ein Kampf für Journalisten sein, ihre Arbeit zu tun, wenn Leute sowohl die Legitimität der Präsidentschaft als auch die Art und Weise, wie die Journalisten berichten, immer noch infrage stellen", sagt Lerner.

Aber es gebe noch viel Schlimmeres als Journalistinnen und Journalisten, die auf Twitter belästigt werden, wenn Donald Trump am 8. November gewinnt, meint Rebecca Traister: "Egal welche Beschimpfungen Journalisten, Aktivisten und Unterstützer ertragen müssen: Jene Dinge, die am Wahltag bedroht sind – Einwanderungsstatus, soziale Hilfsprogramme, Umweltschutz –, sind noch viel wichtiger." (Stephanie Russell-Kraft, 3.11.2016)