Bei der Recherche für die Ausstellung "Die bessere Hälfte" stießen die Kuratorinnen Andrea Winklbauer und Sabine Fellner auf die Malerin Bettina Ehrlich-Bauer, hier im Selbstporträt.

Foto: Jüdisches Museum Wien

Die Bildhauerin Teresa Feodorowna Ries ist beinahe in Vergessenheit geraten, im Fin de Siècle sei sie jedoch "ein Star" gewesen, sagt Sabine Fellner.

Foto: Jüdisches Museum Wien

Wien – Das vielbeschworene Fin de Siècle, eine Hochblüte der Kunst und Kultur in Wien, war stark von Männern dominiert. Dennoch waren auch viele Künstlerinnen am Aufbruch in die Moderne beteiligt, ein großer Teil stammte aus assimilierten jüdischen Familien. Die Ausstellung "Die bessere Hälfte. Jüdische Künstlerinnen bis 1938" im Jüdischen Museum Wien rückt 44 dieser Frauen in den Blickpunkt.

"Diese Künstlerinnen haben zu Unrecht ein Schattendasein geführt", sagt Museumsdirektorin Danielle Spera zur Eröffnung der Ausstellung in der Wiener Dorotheergasse. Die Schau zeichnet die Ausbildungs- und Karrierewege der Frauen nach, die durch Vertreibung und Exil unterbrochen oder in den Vernichtungslagern des Nationalsozialismus für immer beendet wurden.

Platz in der Kunstgeschichte zurückgeben

Gezeigt werden Bleistiftskizzen, Ölgemälde, Holzschnitte, Skulpturen und Keramiken. Auch die Kunstrichtungen sind vielfältig. "Diese Kunst ist so vielschichtig, sie umfasst alle Strömungen", sagt Spera. Der Titel "Die bessere Hälfte" beziehe sich "natürlich nicht" auf die Rolle als Ehefrau, sondern "wir wollten diesen Frauen ihren Platz in der Kunstgeschichte zurückgeben, den sie ganz sicher verdienen", sagt Spera. "Wir porträtieren 44 Künstlerinnen, die eigentlich wenig gemeinsam haben, da sie sehr individuell waren. Was sie eint, ist ihre jüdische Herkunft", meinte sie. Nicht nur die Herkunft, sondern auch ihr Durchsetzungsvermögen war den Künstlerinnen gemeinsam, wie die beiden Kuratorinnen Andrea Winklbauer und Sabine Fellner betonten. "Was die Frauen eint, ist ein emanzipierter Akt, sich von den Traditionen zu befreien, und die Neugierde auf neue Kunstströmungen", sagt Fellner.

Thematisiert wird in der Ausstellung auch "der ewige Kampf um Anerkennung", so Fellner. Frauen sei in der damaligen Zeit jegliche Kreativität abgesprochen worden. Der Besuch der Kunstakademien war ihnen bis 1920 verwehrt, daher besuchten viele die eigens für sie errichteten Kunstschulen. "Vor allem in jüdischen Familien, in denen die Bildung der Töchter seit jeher ein Anliegen war, wurde versucht, ihnen die Gelegenheit zu einer künstlerischen Ausbildung zu bieten", so Spera.

Erkämpfte Anerkennung währte nur kurz

Zu den Pionierinnen jener Zeit zählen die Malerin Tina Blau, die als einzige Frau gemeinsam mit wenigen Kollegen den Österreichischen Stimmungsimpressionismus entwickelte, und die Bildhauerin Teresa Feodorowna Ries, die es schaffte, sich einen Platz in dem von Männern dominierten Feld der Bildhauerei zu schaffen. Von Ries ist unter anderem die Marmorstatue "Hexe bei der Toilette für die Walpurgisnacht" zu sehen – eine Hexe, die sich mit einer Gartenschere die Nägel manikürt. Das Werk sorgte bei der Ausstellung 1896 für große Empörung. Ries sei zwar beinahe in Vergessenheit geraten, zu jener Zeit jedoch "ein Star" gewesen", sagt Fellner.

Die schwer erkämpfte Anerkennung, die die Künstlerinnen für ihre Arbeit bekamen, währte nur kurz. "Die Shoah war natürlich auch in diesem Bereich eine fürchterliche Zäsur", so Spera. Flucht und Vertreibung beendeten die Karrieren der Frauen, vielen gelang die Flucht nicht. Sie wurden deportiert und ermordet, wie unter anderen die Malerin Friedl Dicker.

Detektivische Recherchearbeit

Bei der Recherche für die Ausstellung stießen die Kuratorinnen auf die Künstlerin Bettina Ehrlich-Bauer, deren gesamtes malerisches Frühwerk, das sie zwischen 1925 und den frühen 1930er-Jahren schuf, verschollen ist. Als die jüdische Malerin 1938 nach England emigrierte, rettete sie das Werk ihres Ehemanns, ihr eigenes ließ sie in Wien zurück. In der Ausstellung sind Fotos der Gemälde zu sehen. "Wir hoffen, durch die Ausstellung auch ein bisschen Detektivarbeit zu leisten und vielleicht doch noch auf das ein oder andere Werk zu stoßen", sagt Spera. (APA, 3.11.2016)