Für Spannung sorgt die Wahl in Nicaragua kaum: Siegen dürfte das Ehepaar Ortega/Murillo (Plakat).

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Managua/Puebla – Wenn die rund 3,4 Millionen Wahlberechtigten am Sonntag an die Urnen schreiten, ist eigentlich alles schon entschieden. Nicaraguas sandinistischer Präsident Daniel Ortega hat durch die von ihm kontrollierte Justiz und das Wahlgericht den Weg für eine neue Amtszeit geebnet. Als Kandidatin für die Vizepräsidentschaft fungiert seine Frau Rosario Murillo. Unabhängige Wahlbeobachter wird es diesmal nicht geben – sie hätten auch nicht viel zu sehen. Denn die einzige wirkliche Oppositionspartei wurde vor der Wahl kaltgestellt.

So ist den Sandinisten eine satte Mehrheit im Kongress garantiert. Die Opposition spricht – ausnahmsweise von links bis rechts geeint – von einer Farce. Sogar das Ausland, das dem Treiben des Ortega-Clans in Nicaragua lang zusah, scheint aufgerüttelt. Die nicaraguanische Autorin Gioconda Belli fühlt sich zurückversetzt in eine Monarchie. Andere ziehen – freilich überzogene – Vergleiche mit der blutigen Somoza-Diktatur, als ein Familienclan nach Gutdünken in dem mittelamerikanischen Land schaltete und waltete – bis zum Moment, als sich die linkssandinistischen Rebellen unter Ortegas Führung erhoben.

Pakt mit Kirche und Firmen

Ortega, der 1990 in freien Wahlen abgewählt worden war, gelang 2006 die Rückkehr ins Präsidentenamt. In den vergangenen zehn Jahren baute er Schritt für Schritt seine Herrschaft aus. "Egal was die anderen sagen, wir werden die Macht nie wieder abgeben", skizzierte der inzwischen verstorbene Ex-Innenminister Tomás Borge das Drehbuch. Dazu gehörte auch ein Pakt mit den Firmen, denen Ortega wirtschaftliche Stabilität und gute Geschäfte versprach, solange sie sich nicht politisch einmischten. Ein Pakt mit dem erzkonservativen Kardinal Obando brachte die Kirche auf Linie, ein weiterer garantierte seinem äußerst korrupten Widersacher, dem Liberalen Ex-Präsidenten Arnoldo Alemán, Straffreiheit.

Die Medien wurden durch Druck und Anzeigen mundtot gemacht. Ortegas Söhne bauten ein eigenes, regierungsfreundliches Medienimperium auf. Den demokratischen Dissidenten aus den eigenen Reihen, die 1995 die Sandinistische Erneuerungsbewegung (MRS) gegründet hatten, wurde der Parteistatus aberkannt. 2009 erklärte das von Ortega kontrollierte Verfassungsgericht, der Paragraf, der bisher die unbegrenzte Wiederwahl des Präsidenten untersagte, verletze Ortegas Bürgerrechte. 2011 wurde Ortega mit 62 Prozent wiedergewählt.

Populärster Politiker

Doch im Volk scheint der Rückhalt zu schmelzen. Umfragen zufolge ist Ortega zwar noch immer der populärste Politiker. Doch erklären sich 48 Prozent für "unpolitisch" oder machen keine Angaben zu ihrer politischen Präferenz. 70 Prozent sagen, sie seien unzufrieden mit der wirtschaftlichen Lage. Denn trotz im Schnitt 4,5 Prozent Wirtschaftswachstums bleibt Nicaragua nach Haiti das ärmste Land der Region.

Der Reichtum, den es gibt, ist ungleich verteilt. 30 Prozent leben in Armut. In den Vierteln, in denen sie wohnen, und auf dem Land ist Ortega dennoch populär. Dafür sorgen Sozialprogramme: Billiges Erdöl aus Venezuela, Lehrer und Ärzte aus Kuba, Kredite, das Verschenken von Traktoren, Baumaterial, Kühen und Schweinen – das alles gab es unter Ortegas Vorgängern nicht.

Strohmann als Parteichef

Trotzdem griff er fünf Monate vor der Wahl erneut in die Trickkiste, um sich seines größten Widersachers zu entledigen, der Unabhängigen Liberalen Partei (PLI). Dazu grub das Oberste Gericht einen Jahre zurückliegenden parteiinternen Zwist über Führungsgremien wieder aus. Der damals Unterlegene war zwar inzwischen verstorben, aber die Parteiführung wurde seinem Anwalt zugesprochen – einem Strohmann Ortegas.

Nicht dass diese Manöver unbemerkt geblieben wären. Schon bei der letzten Präsidentschaftswahl 2011 bemängelten internationale Beobachter Missbrauch staatlicher Mittel für den Wahlkampf. Viele EU-Länder fuhren ihre Entwicklungshilfe zurück. Konsequenzen hatte das aber nicht. Unter anderem, weil Venezuela finanziell half – was es angesichts der eigenen Krise mittlerweile wohl nicht mehr tun wird.

Auch diesmal kritisierte die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) Ortega. Seine einzige Hoffnung sind nun die Chinesen. Die planen mit dem Bau eines interozeanischen Kanals durch Nicaragua eine Milliardeninvestition. Ob diese so schnell verwirklicht wird, steht aber in den Sternen. Nicht wegen der Proteste, sondern weil der dahinterstehende Mogul Wang Jing beim Börsenkrach in Peking fast sein ganzes Vermögen verlor. (Sandra Weiss, 4.11.2016)