Bild nicht mehr verfügbar.

Für Privatsphäre und Zugriff von Geräten auf Daten muss es genaue Regelungen und erkennbare Zugriffsbeschränkungen geben.

Foto: getty/abluecup

Vernetzung betrifft heute schon fast jeden Bereich des Alltags.

Foto: iStockPhoto

"Nicht hier, Schatz. Nicht vor unserem Smart-TV. Und lass uns sichergehen, dass die Smartphones und Smartwatches im Nebenzimmer sind. Und da drüben liegt noch die ‚Hello Barbie‘ von unserer Kleinen, und …" – "Hör auf, Liebling, es ist sinnlos, auch die Heizung und Beleuchtung sind smart!"

Ist es Paranoia oder Technophobie? Klar ist, dass Autos, Fernseher, Telefone und immer mehr Alltagsgegenstände um uns herum "smart" werden. Sie sind mit Sensoren und eingebetteter Software ausgestattet, kommunizieren untereinander und leiten selbstständig Daten über uns und unserer Umgebung weiter. Das Schlagwort dafür lautet "Internet der Dinge", auf Englisch "Internet of Things", kurz "IoT". Ein Smart-TV zeichnet auf, was wir wann und in welcher Reihenfolge medial konsumieren. Verfügt das Gerät über eine Sprachsteuerungsfunktion, kann es unsere Gespräche im Wohnzimmer mitschneiden, reagiert es auf Gebärden, kann uns die integrierte Kamera auf unserem Sofa filmen. Noch 2015 hat die Firma Samsung für ihre Geräte ausdrücklich darauf hingewiesen, dass auch persönliche und sensible Gespräche aufgezeichnet und an Drittanbieter zur Analyse weitergeleitet würden. Smartphones bekommen, weil wir sie ständig bei uns tragen und zum Beispiel über GPS-Chips verfügen, noch viel mehr mit.

Jedes Feature hat seinen Preis

Ohne die umfassende Erfassung und Verarbeitung schier unvorstellbarer Datenmengen lassen sich viele Annehmlichkeiten, die uns die digitale Zukunft verspricht, technisch gar nicht bewerkstelligen. Darüber hinaus würden sich viele der immensen Forschungs- und Entwicklungskosten nicht rechnen, gäbe es nicht die Aussicht, enorme wirtschaftliche Vorteile zu lukrieren – sei dies durch das Erstellen persönlicher Kundenprofile oder durch das fast lückenlose Wissen über Alltagsvorgänge der Anwender. Dass der Produzent meines Fernsehers oder Mobiltelefons theoretisch alles über mein Leben und meine Persönlichkeit weiß, heißt außerdem noch lange nicht, dass er dieses Wissen missbraucht oder dass mir daraus irgendwann ein Nachteil erwächst – schließlich gibt es auch Gesetze, die etwa Zweckbeschränkungen und Informationspflichten vorsehen.

Der zuletzt genannte Punkt ist sicherlich richtig, aber etwas zu kurz gedacht. Zunächst sind viele Formen der persönlichen Profilbildung und des Datenhandels durchaus legal, können aber dennoch dem Einzelnen wie der Gesellschaft Schaden zufügen durch Phänomene von Filterbubbles bis hin zu Personal Pricing. Außerdem muss ja gar nicht der Produzent der Bösewicht sein. Die vielen Alltagsgegenstände um uns herum mit all ihren Kameras und Mikrofonen und Datenflüssen ermöglichen Missbrauch durch Dritte. Keine oder nur höchst unzureichende Sicherheitsvorkehrungen und das Entstehen von neuen Sicherheitslücken stellen schwer abschätzbare Risiken dar. Es filmt uns dann eben nicht der Produzent des Smart-TV auf unserem Wohnzimmersofa, sondern vielleicht der rachsüchtige Exliebhaber oder der voyeuristische Nachbar. Vielleicht ist es der Konkurrent, um die Position des Abteilungsleiters, der über den smarten Kühlschrank an unsere E-Mails gelangt. Und werden nicht nur Smart-TV, Laptop und Smartphone gehackt, sondern unser vernetztes Auto, geht es sogar um unser Leben.

Was wohl noch schwerer wiegt: Die ungeheuerlichen Datenmengen, die über fast jeden einzelnen Menschen dieser Welt auf bestimmten Servern angehäuft werden, offenbaren demjenigen, der Zugriff auf diese Daten hat, unser Innerstes und erlauben es ihm über Gesichts-, Sprach- und Bewegungsprofile, uns bis zum Ende unseres Lebens an jedem beliebigen Ort dieser Welt aufzuspüren. Das kann im Kampf gegen den globalen Terror nützlich sein. Wir leben aber leider in einer Zeit, in der totalitäre Regime nicht außerhalb des Möglichen liegen – gelangen sie an diese Daten, kann die die Vorstellung aus George Orwells Roman "1984" für die betroffenen Menschen zur Wirklichkeit werden.

Wie wir uns schützen können

Die Chancen, die das Internet of Things für unsere Gesellschaft mit sich bringt, dürfen nicht kleingeredet werden: Das Internet der Dinge wird es beispielsweise älteren Menschen dank Automatisierung im Alltag und autonomen Diagnosesystemen ermöglichen, viel länger in ihrer vertrauten Umgebung zu leben. Autonome Notrufsysteme werden Unfälle rascher melden und dazu beitragen, Menschenleben zu retten. Rechtswissenschafter sollen die technische Entwicklung nicht aufhalten, aber sie müssen – gemeinsam mit anderen Disziplinen und mit der Politik – einen Rechtsrahmen entwickeln, der unsere digitale Zukunft lebenswert erhält.

Es gibt dabei viele juristische Stellschrauben, an denen zu drehen wäre. Angefangen bei der digitalen Produktsicherheit, wo bei IoT-Geräten noch viel im Argen liegt. Das Recht der sogenannten Allgemeinen Geschäftsbedingungen, also der Kontrolle von "Kleingedrucktem" in Verträgen, muss stärker auf Datenschutzthemen zugespitzt werden, und auch im Haftungsrecht sind viele Änderungen angezeigt. Ich plädiere dafür, dass alle vernetzten Gegenstände zwingend gekennzeichnet werden müssen, und zwar nach einem transparenten und eingängigen Schema – etwa mit Buchstaben von A bis F und Farben von Rot bis Grün wie bei den Energieeffizienzklassen von Elektrogeräten –, je nachdem, welche Art von Daten das Gerät erfassen kann. Das Um und Auf ist allerdings die effiziente Überwachung, dass die gesetzlichen Vorschriften auch eingehalten werden, und der Mut, hart gegen Verstöße vorzugehen. Nationale Alleingänge bringen hier wenig: Es muss mindestens auf europäischer Ebene gehandelt werden. (Christiane Wendehorst, 8.11.2016)

Posten Sie Ihre Fragen ins Forum

Haben Sie Fragen zum Thema "Internet of Things", oder Kritik an unzureichenden Informationen über Privatssphäre und Datenmissbrauch durch vernetzte Gegenstände? Posten Sie ins Forum, Christiane Wendehorst wird in einem Folgeartikel Ihre Postings aufgreifen!