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Südstaatler werden gern mit Pfirsichen vergleichen, die Kälte des Nordens vertragen sie nicht so gut.

Foto: REUTERS/UF/IFAS Photo by Tyler Jones/Handout via Reuters

Die Zielgerade zu den US-Präsidentschaftswahl ist erreicht, und fast jeder, mit dem ich in diesen Tagen spreche, ist froh, wenn es endlich vorbei ist. Ärzte haben festgestellt, dass Wahlkämpfe, und dieser Wahlkampf insbesondere, den Stresslevel bei vielen Menschen steigen lassen, den Blutdruck in die Höhe treiben, Unfrieden unter Freunden stiften, Familien spalten und überhaupt: ungesund sind. Sie empfehlen als Therapie Yoga und Meditation. Ich setze mich lieber in den Schaukelstuhl auf meiner Porch, der überdachten Veranda meines kleinen Hauses in Atlanta, und trinke einen Mint Julep, den Lieblingscocktail in diesem Teil des Landes.

So saß ich also vor ein paar Tagen zusammen mit einer Freundin, und wir sinnierten darüber, warum diese Wahl vor allem für Südstaatler, egal wo sie politisch stehen, schlichtweg ein Ärgernis ist.

"Yankees"

Da ist zum einen die Herkunft der Kandidaten: Beide sind New Yorker. Na ja, der eine ist ein waschechter New Yorker, und die andere tut so, weil sie mehrere Jahre lang den Bundesstaat im Senat vertreten hat. Ursprünglich stammt sie aus Chicago. Das ist eigentlich auch egal, denn beide Kandidaten, Donald Trump und Hillary Clinton, kommen aus dem Norden, und damit sind sie Yankees, Nordstaatler. Das sei durchaus ein Problem für die Menschen aus dem Süden, nicht gravierend, aber immerhin, meinte meine Freundin, auch 151 Jahre nach Ende des Sezessionskrieges. Die muss es wissen, denn ihr Ururgroßvater kämpfte für die Konföderierten.

Süß wie Pfirsiche

Ein weiteres Ärgernis: der Stil. In diesem Wahlkampf findet sich nichts von der zuckerwattigen Höflichkeit, von der geschmeidigen Eleganz, von der unvergleichlichen Fähigkeit der Südstaatler, garstige Dinge plüschig zu verpacken. Die Bewohner des Südens werden ja oft mit Pfirsichen verglichen, weich, süß und manchmal ein bisschen pelzig, und Nordstaatler mit Kokosnüssen, harter Kern und erfrischendes Fleisch (interkulturelle Experten verwenden diesen Vergleich übrigens auch für Amerikaner und Deutsche, alles ist eben relativ).

Wink mit der Botox-Spritze

Das kann so weit gehen, dass Südstaatler bisweilen das Gegenteil von dem sagen, was sie meinen. Da kann ein sanft gehauchtes "How interesting" in Wahrheit bedeuten: Wie langweilig. Die Floskel "Let's do lunch sometime" mag ein Hinweis darauf sein, dass keinerlei Interesse an einem Treffen besteht. Und wenn die eine Frau zur anderen bei der Begrüßung sagt: "Oh, you look amazing!", kann das durchaus ein Wink mit der Botox-Spritze sein. Kann, muss aber nicht. Man weiß es eben nie so genau.

Donald Trump verpackt nichts (und ich gebe zu, dass das zu den wenigen Dingen gehört, die ich an ihm schätze). Der Mann meint, was er sagt – und vor allem, wie er es sagt. Trump ist kein Pfirsich. Meine Freundin und ich haben nach einer Frucht für einen treffenden Vergleich gesucht, aber uns fiel keine ein.

Bajonettfinger

Hillary Clinton versucht sich zwar bisweilen in Geschmeidigkeit, aber es geht meistens daneben. Die schrille Stimme, der bohrende Blick, der Bajonettfinger: Das ist verkrampft, verbissen und – aus Sicht vieler Südstaatler – so gar nicht vornehm.

Schließlich: Gott ist wichtig im Bible Belt, dem Bibelgürtel des Südens – und damit auch die Antwort der Kandidaten auf die Frage, wie sie es denn mit der Religion haben. Doch weder Trump noch Clinton geben sich sonderlich fromm. Zwar verweisen die beiden Vizepräsidentschaftskandidaten gern auf ihre Religiosität – vor allem Trumps Running Mate Mike Pence betont, in der Reihenfolge seiner Prioritäten stehe sein christlich-evangelikaler Glaube an oberster Stelle. Aber Pence kommt aus Indiana und ist damit ein Yankee.

Mint Julep im Schaukelstuhl

Wie auch immer die Wahl am 8. November ausgeht: Meine Freundin aus Atlanta hat für beide Kandidaten einen ganz besonderen Segen parat, der im ersten Moment milde klingt, aber in Wahrheit eine bittersüße Portion Herablassung enthält. Ein Segen, den Südstaatler denen vorbehalten, die keine von ihnen sind: Bless their hearts. Darauf einen Mint Julep im Schaukelstuhl auf der Veranda. (Katja Ridderbusch aus Atlanta, 6.11.2016)