Wien – Richard Grasl beschäftigen inzwischen etwas kleinere Immobilienthemen, seit er sich Ende Oktober aus dem ORF verabschiedete. Als Finanzdirektor spielte er eine Schlüsselrolle beim 303-Millionen-Euro-Projekt ORF-Zentrale neu und der Entscheidung für den Küniglberg als Standort.
Nun ist Grasl vorerst Medienberater und Untermieter in der Innenstadt-Agentur von Daniel Kapp, einst Sprecher von Vizekanzler und ÖVP-Chef Josef Pröll. Und ORF-Chef Alexander Wrabetz hat mit dem Projekt Küniglberg alle Hände voll zu tun. Grasl, die Berater von Accenture und ein großer Teil des ORF-Stiftungsrats brachten Wrabetz 2012 von der Idee ab, etwa in Wien-St. Marx neu zu bauen. Und mit ihnen der damalige, bürgerliche Bezirksvorsteher von Wien-Hietzing.
Der ORF blieb, und er holt laut bisherigem Konzept sein ganzes Wiener Personal (bis auf das Landesstudio und das Orchester) auf den Küniglberg, rund 700 bis 1000 Menschen mehr als bisher.
Cottage kocht
Mindestens zwei Anrainerinitiativen, eine prominent besetzt mit Cornelius Obonya und Waltraud Haas, und die Bezirkspolitik mobilisieren gegen mehr Verkehr und weniger Parkplätze. Hietzings ÖVP, SPÖ und FPÖ fordern eine neue Tiefgarage mit 300 Stellplätzen für den ORF. Der winkt ab, wohl aus technischen, räumlichen, finanziellen Gründen.
Kommenden Montag wird sich der Finanzausschuss des ORF-Stiftungsrats in einer Sondersitzung dem Bauprojekt Küniglberg widmen. Die Anrainer können das Projekt verzögern, und Verzögerungen am Bau sind vor allem teuer. Ausschussvorsitzender Thomas Zach hat den Sondertermin angeregt. Er ist Sprecher der bürgerlichen Stiftungsräte im obersten Gremium des ORF, er war wichtiger Wahlhelfer von Richard Grasl für die Generalswahl im August 2016.
Finanzlücken
Mit den Finanzen hat der ORF schon ohne Bauprojekt seine liebe Not. Schon im Herbst 2015 kümmerten sich Krisensitzungen um Fragen wie: Wer hat eigentlich den neuen Estrich bestellt? Die Sanierungskosten des Haupttraktes – von neun Objekten – drohten schon die Reserven des Gesamtbauprojekts Küniglberg zu verbrauchen. Von 50 bis 60 Millionen Euro über Plan war damals die Rede. Heute kursieren im ORF zumindest zehn Prozent zu viel als aktueller Stand.
Weil das Projekt im Rahmen der 303 Millionen Euro bleiben muss, werden Sanierung der übrigen Objekte auf dem Küniglberg und Neubau Stück um Stück reduziert. Merke: Der Neubau soll jene Menschen zusammenführen, die das eigentliche Produkt des ORF herstellen – die Programmmacher.
Das Bauprojekt steht damit auch für ein Schlüsselproblem des ORF, jedenfalls sehen das Programmmacher so: Immer weniger Geld bleibe Jahr für Jahr verfügbar für Inhalte, immer mehr belegten Organisation, Verwaltung und auch Personal.
Kürzen auf dem Programm
Schon Montag darauf tagt der Finanzausschuss noch einmal regulär. Und spätestens dann geht es an die Gebührenfrage. Auch wenn ORF-Chef Wrabetz den anstehenden Antrag auf Erhöhung erst im Dezember stellen will. Auch wenn er erst nach dem Ausschuss, am 15. November, den Finanzplan für 2017 vorlegen muss. Und auch wenn der Stiftungsrat am 16. November die Programmschemata für 2017 (etwa das neue Ö1-Schema) behandelt und die Finanzen erst im Dezember.
Die ÖVP lehnt eine Gebührenerhöhung bisher rundweg ab, sie fordert Sparmaßnahmen ("Reformen"). SPÖ-Medienminister Thomas Drozda sprach sich auch dagegen aus; er will freilich nicht, wie sein VP-Gegenüber Werner Amon, gesetzlich eingreifen.
Zu rechnen ist nun, wie stets vor Gebührenerhöhungen, mit Kürzungsszenarien, vom Programm bis zum Radiosymphonieorchester. Dramatischer als die ohnehin dramatische Finanzvorschau des ORF bis 2020 (Grafik). Sie kommt trotz – angenommenen, aber politisch unrealistischen – 10,5 Prozent Gebührenerhöhung auf rund 70 Millionen mehr Umsatz pro Jahr – und dennoch fast 60 Millionen Minus 2020. Die Prognose hat noch Finanzdirektor Grasl mit erstellt. (Harald Fidler, 5.11.2016)