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Die Weltwirtschaft als rutschiges Parkett: Die Globalisierung macht es Ländern immer schwerer, die Balance zu halten, so eine Studie.

Foto: Jonathan Daniel / Getty Images/AFP

Wien – Die Globalisierung der vergangenen Jahrzehnte hat keinen Beitrag dazu geleistet, die Menschen rund um die Welt reicher zu machen. Wenn überhaupt, hat sie das Wirtschaftswachstum negativ beeinflusst. Zu diesem umstrittenen Ergebnis kommt eine Arbeit des Wiener Instituts WIIW, das im Vorjahr als fünftbeste wirtschaftliche Denkfabrik der Welt ausgezeichnet wurde.

Die Studie könnte weiteres Öl ins Feuer der weltweiten Globalisierungskritik gießen. Die auf beiden Seiten des Atlantiks zu beobachtende Abschottungstendenzen haben zuletzt fast das Handelsabkommen Ceta zu Fall gebracht und liefern Rechtspopulisten die Basis für ihre Wahlerfolge.

Schattenseiten

Der Autor der Studie, Leon Podkaminer, widerspricht mit seiner Arbeit der vorherrschenden Meinung in der Wissenschaft, wonach der globale Handel mit Gütern und Dienstleistungen durch Spezialisierung und mehr Konkurrenz die Effizienz steigert und damit Wachstum generiert.

"Freihandel hat natürlich seine positiven Seiten", sagt Podkaminer im STANDARD-Interview, "diese werden aber durch die Schattenseiten der Globalisierung mehr als ausgeglichen." Der zunehmende Abbau an Grenzen für Güter und Kapital führe zu Ungleichgewichten und drücke die Löhne.

Podkaminer zeigt in seiner Arbeit, dass das Pro-Kopf-Wachstum der Weltwirtschaft seit den 1960ern kontinuierlich zurückgegangen ist. Gleichzeitig sei die wirtschaftliche Integration aber stark vorangetrieben worden. In einer statistischen Analyse findet er keinen positiven Zusammenhang zwischen Welthandel und Wirtschaftswachstum.

Konkurrenz unter Arbeitern

Durch die Liberalisierung der Kapitalmärkte komme es immer öfter zu einem starken Auf und Ab der Währungen, was Firmen das Leben schwer mache. Nehme man noch die überall sinkende Lohnquote in Betracht, die durch die gestiegene Konkurrenz der Arbeiter verursacht sei, müsse man der Globalisierung unter dem Strich ein negatives Zeugnis ausstellen.

Das Wachstum Chinas, das Befürwortern der Globalisierung als Erfolgsbeispiel dient, sei lediglich auf Kosten der westlichen Welt zustande gekommen. Dort sei das Wachstum deshalb gesunken und die Arbeitslosigkeit gestiegen.

Warum kommt Podkaminer zu einer anderen Ansicht als viele andere Ökonomen? "Das ist einfach, die Fakten stützen die Mainstreamsicht nicht." Die Modelle vieler Forscher, die Freihandel große Wachstumseffekte zuschreiben, seien mit der Realität nicht vereinbar und würden auf falschen Annahmen fußen.

Akademischer Widerspruch

Aus seiner Studie lasse sich eine simple Schlussfolgerung ziehen, sagt Podkaminer. "Wir brauchen das Gegenteil von Ceta und TTIP. Noch mehr Freiheiten führen zu noch mehr Volatilität." Global müsse man die Kapitalflüsse wieder steuern können, so wie im Bretton-Woods-System bis in den 1970ern. Bis dahin haben viele Länder ihre Währung an den Wert von Dollar und Gold gekoppelt.

Weil die Studie neu ist, gibt es noch keine Stellungnahmen von anderen Ökonomen. Axel Dreher von der Uni Heidelberg, der sich viel mit der Wirkung der Globalisierung beschäftigt, hält das Ergebnis aber für nicht sehr plausibel. "Der Stand der Forschung ist, dass Handel einen sehr positiven Effekt auf das Wachstum hat", sagt er zum STANDARD.

Der globale Austausch an Gütern, Krediten, Kultur und Ideen wirke unter dem Strich sehr positiv. Ein Problem sei eher, dass dieser seit Jahren stagniere. (Andreas Sator, 5.11.2016)