Das Billboard des türkischen Künstlers Halil Altindere zeigt Flüchtlinge, die dichtgedrängt auf einem Flugzeug sitzen.

Altindere

Wien – Ein roter Teppich führt in die Ausstellung What is left? Linker Hand befindet sich eine Art "Celebrity Wall", auf der man anstelle von Sponsorenlogos ein Video sieht. Petra Gerschner hat die Bilder nach einer Anti-TTIP-Demo in Frankfurt aufgenommen: Hauptdarsteller sind Polizisten, die die Straßen durchforsten, aber auch jemand, der Schilder mit der Aufschrift Dialektik der Aufklärung bzw. Peau Noire Masques Blancs Frantz Fanon trägt.

Bis hierher also Globalisierungskritik, wie wir sie kennen. Gewissermaßen hat die Künstlerin aber auch paradox interveniert: "Join the Winning Side – Smash Capitalism" steht auf ihrem red carpet – ein Satz, der zumindest kurz irritiert.

Linke Einstellung

Dass die Kategorien links und rechts heute nicht mehr wie bisher greifen, war für die Ausstellung What is left? einer der Ausgangspunkte. Die doppeldeutige Frage muss man aber rhetorisch begreifen. Schließlich haben Gülsen Bal und Walter Seidl Positionen versammelt, die weder übrig wirken, noch an ihrer linken Einstellung Zweifel lassen. Noch bevor man die Räumlichkeiten betritt, bezieht Halil Altindere etwa an der Fassade gegen die europäische Abschiebepolitik Stellung. Das Billboard des türkischen Künstlers zeigt Flüchtlinge, die auf einem Flugzeug sitzen – Photoshop hat beim Abheben geholfen; ansonsten wurde alles analog auf einem Flugzeug gemacht.

Direktheit der Message

Dem politisch Akuten ist die Direktheit der Message wohl genauso geschuldet wie der Präsentation in der Öffentlichkeit. In der Ausstellung geht es jedenfalls subtiler weiter. Gezeigt wird etwa das berührende Video Measures of Distance (1988) von Mona Hatoum. Die libanesische Künstlerin thematisiert darin ihre Exilsituation und liest Briefe ihrer Mutter vor. Diese verurteilt den Krieg, der sie trennt, freut sich aber darüber, dass sie bei ihrem letzten Treffen über Sexualität sprachen. Entstanden sind auch Bilder vom Körper der Mutter, den man hinter einem Schleier aus Zeichen sieht.

Denkmäler in Bulgarien

Denkt man heute an die arabische Welt, scheint so etwas schwer vorstellbar. Als extrem hermetisch stellt sich etwa der Oman in der Arbeit von Khaled Ramadan dar. In der Doppelkanal-Videoprojektion Empire of Silent Culture gibt er Einblick in die religiösen Traditionen des Landes. Frauen sind keine zu sehen. Auch nicht in dem zweiten Video, in dem ein Blogger von den Repressionen gegen Intellektuelle erzählt. Die Arbeit gehört hier zum Eindrücklichsten. Das mag aber auch daran liegen, dass durch ein fehlendes gemeinsames Thema globale Brisanz über lokale Anliegen siegt. Das ist nicht ganz fair: Dimitar Solakov hat etwa historische Denkmäler in Bulgarien fotografiert, die mit EU-Geldern renoviert werden sollen. An einer authentischen Rekonstruktion ist man dort aber ebenso wenig interessiert wie in Skopje, wo die Regierung mit den Bauten von Kenzoo Tange einen Teil der sozialistischen Geschichte auslöscht.

Übrig geblieben

Sabine Bitter und Helmut Weber haben sich intensiv mit dieser Entwicklung befasst und weisen in ihrer Fotoinstallation zudem darauf hin, dass sich bereits Widerstand dagegen formiert hat. So differenziert ist die Installation von Nasan Tur nicht. Mit seiner Fahneninstallation steht er vielmehr in einer so langen Tradition linker Nationalismuskritik, dass sie leider doch etwas übrig geblieben wirkt. (Christa Benzer, 7.11.2016)