Etwa ein Prozent der Menschen leidet an chronischem Gelenksrheuma, rheumatoide Arthritis im Fachbegriff. Oft lassen sich schon Jahre vor dem Ausbruch der Erkrankung im Blut verdächtige Zeichen für eine Autoimmunreaktion feststellen. Jetzt könnten Wissenschafter einen "Wendepunkt" für das Umschlagen zur symptomatischen Erkrankung identifiziert haben.

Rene Pfeifle von der Universitätsklinik in Erlangen in Deutschland und die übrigen Autoren der Studie, unter ihnen auch Stephan Blüml von der Klinischen Abteilung für Rheumatologie von MedUni Wien und AKH, stellen ihre Ergebnisse in Nature Immunology vor. Sie haben versucht, einen "Checkpoint" zu finden, welcher entscheidend für das Umschlagen quasi einer "Veranlagung" bzw. "schlummernden" Autoimmunreaktion in die entzündliche und mit Schmerzsymptomen und irreversibler Gelenksschädigung bei der Rheumatoiden Arthritis sein könnte.

Schlummernde Aggressoren

"Man weiß seit langem, dass Menschen, bei denen später einmal eine Rheumatoide Arthritis ausbricht, im Blut Autoantikörper (gegen körpereigene Strukturen gerichtete Antikörper) gegen zyklische citrullierende Peptide aufweisen", sagte Blüml. Obwohl sie Teil einer Autoimmunantwort sind, die auf ein hohes RA-Risiko hinweisen, verursachen sie offenbar zunächst noch keine heftige entzündliche Reaktion, welche ja die chronische Polyarthritis ausmacht. Die Schlussfolgerung: Es muss wohl zu einer Veränderung an im Rahmen der Autoimmunreaktion bei Rheuma gebildeten Antikörpern kommen, welche erst zu der entzündlichen Gelenksentzündung führt.

Laut den Wissenschaftern spielt hier offenbar der Immunbotenstoff Interleukin 23 (IL-23) in Verbindung mit bestimmten Immunzellen (Th17-Helferzellen) eine entscheidende Rolle. Im Mausmodell zeigten sie, dass IL-23 offenbar auf einem indirekten Weg über die Beeinflussung der Produktion anderer Immunbotenstoffe (Interleukin-21 und Interleukin-22) die Eigenschaften von Antikörpern verändert, die für die Entstehung der Erkrankung wichtig sind.

Entzündungen stoppen

Der Effekt: Die im Rahmen der Polyarthritis gebildeten Antikörper gegen körpereigene Proteine zeigen eine Veränderung ihrer "Verzuckerung" (Glykosilierung). Sie weisen weniger Zuckerreste auf. Erst durch diese Veränderung der Glykosilierung erhalten die Antikörper ihre entzündungsfördernden Eigenschaften und können so die die Gelenke schädigende Entzündungsreaktion auslösen.

Die Experten überprüften an den Laborbefunden von Gesunden und von Arthritis-Patienten, ob auch bei ihnen die im Mausmodell festgestellten Mechanismen vorhanden sind. Sie dürften weitgehend übereinstimmen. Allerdings zeigten die Autoantikörper der Gelenksrheuma-Patienten weniger Veränderungen als jene der Labormäuse. (APA, 7.11.2016)