Rosario Murillo bei der Stimmabgabe am Sonntag.

Foto: APA/AFP/RODRIGO ARANGUA

Auf den ersten Blick wirkt die magere Seniorin mit der Vorliebe für schrilles Pink und überladenen Schmuck nicht wie das, was Rosario Murillo seit einigen Jahren ist: die mächtigste Frau Nicaraguas, treibende Kraft hinter ihrem Mann, dem kränklichen und zunehmend senil wirkenden Präsidenten Daniel Ortega. Das Gesicht der 65-Jährigen ist den Nicaraguanern inzwischen geläufiger als das ihres Gatten. Nun ist sie auch formal Vizepräsidentin und damit Nachfolgerin, sollte ihm etwas zustoßen.

Ihr Weg zur Macht war lange, und dafür hat sie sogar ihre eigene Tochter geopfert. Als Zoilamérica Narváez, ihre Tochter aus erster Ehe, im Jahr 1998 ihren Stiefvater des sexuellen Missbrauchs bezichtigte, schlug sich Murillo auf die Seite ihres Mannes. Zoilamérica wurde aus dem Familienclan verstoßen. Murillos Kritiker vergleichen sie gern mit Claire Underwood, der machtgeilen, skrupellosen Gattin des Politikers Frank Underwood aus der US-Serie House of Cards. Selbst innerhalb der Sandinisten ist sie nicht unumstritten. Dass sie aus dem traditionellen Schwarz-Rot der linken Sandinisten ein "kitschiges Pink" machte, sei unverzeihlich, sagte Ex-Comandante Edén Pastora Gómez. Andere Sandinisten der ersten Stunde werfen ihr vor, die alte Garde ins Abseits zu manövrieren und durch gehorsame Jungspunde zu ersetzen.

Ihren Fleiß und ihre Intelligenz spricht der neuen Vizepräsidentin kaum jemand ab. Sie stammt aus bürgerlichem Haus; In den 1950er-Jahren schickte sie ihre Familie zum Studium nach Europa, wo sie Englisch und Französisch lernte. Nach ihrer Rückkehr nach Nicaragua arbeitete sie als Sprachlehrerin und als Chefsekretärin in der Traditionszeitung La Prensa.

Einen Namen machte sie sich auch als Poetin. Die sandinistische Befreiungsfront, die sich gegen die blutige Diktatur des Somoza-Clans formierte, unterstützte sie von Anfang an. Bald schon wurde Ortega auf sie aufmerksam, im Exil in Costa Rica wurden die beiden zum unzertrennlichen Paar, das sie bis heute geblieben sind. Nach dem Sturz Somozas wurde Murillo Abgeordnete und Kulturministerin. Sie stieg nach Ortegas Wiederwahl erst zur Kommunikationsbeauftragten, dann zur Chefin des Sozialkabinetts auf.

Aus der Beziehung gingen sieben Kinder hervor. Alle bekleiden heute wichtige Posten, vom Präsidentenberater zum Leiter der staatlichen Investitionsagentur bis zu Inhabern eines Medienimperiums, das kräftig die Propagandatrommel rührt. (Sandra Weiss, 7.11.2016)