Wer bucklig am Computer sitzt, schadet sich auf lange Sicht selbst. Den Kopf über das Becken zu bringen schafft Aufrichtung und natürliche Balance. Das ist ein Ziel für Schüler der Alexander-Technik.

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Übungssituation mit Alexander-Technik: Eine Lehrerin arbeitet gegen unbewusste Muskelspannungen.

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Telefonieren mit dem Smartphone verspannt Schulter, Arme und Halswirbelsäule, ein Alexander-Lehrer macht die Einseitigkeit bewusst und tariert aus.

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Von seiner anatomischen Grundausstattung ist der Mensch ein Bewegungstier. Für Büroarbeit ist der Körper nicht gemacht. In der Geschichte der Evolution spielt auch der Sessel keine Rolle. Was ohne ausreichende Bewegung passiert, ist folgendes: Ganze Muskelgruppen verkümmern, verlieren ihre stützende Funktion. Das wirkt sich auf die Bandscheiben und damit auf die Wirbelsäule aus.

Falsche Körperhaltung über lange Jahre verursacht Schmerzen. "Viele falsche Bewegungsmuster sind automatisiert und werden gar nicht mehr bewusst wahrgenommen", sagt Thomas Hirt, der schmerzgeplagten Rückenkranken eine Möglichkeit zur Veränderung bietet. Alexander-Technik ist die Methode, mit der er Veränderungen herbeiführt. Es ist eine Form der Körperarbeit, die ihre Wurzeln im Schauspiel hat, und in deren Zentrum die Selbstwahrnehmung steht.

Es ist eine überaus feinsinnige Methode. Mit der Alexander-Technik lassen sich Alltagssituationen verbessern – zum Beispiel auch das Sitzen am PC oder das Telefonieren mit dem Smartphone. Und zwar ganzkörperlich, wie Alexander-Lehrer Hirt betont. "Wenn die Finger die Tastatur berühren, verändert das die Situation des gesamten Körpers und seines Nervensystems", sagt er und sieht das in seinen Trainingsstunden an der Muskelspannung seiner Schüler. PC-Arbeit ist jedenfalls eine Herausforderung für das Gesamtsystem: Kleinste Bewegungen über einen langen Zeitraum hinweg, fixierte und dadurch starre Körperhaltung und ein verflachter Atem: All das schadet dem System.

Muskel-Nerven-Achse

Das posturale neuromuskuläre Reflexsystem, so der Fachbegriff, sei in seinen Auswirkungen komplett unterschätzt, ist er überzeugt und will die Macht dieser körperinternen Zusammenhänge erfahrbar machen.

Das fühlt sich erst einmal ziemlich federleicht an. Hirt bittet seine Klienten, sich an den Computer zu setzen. Einmal ganz ehrlich: Die meisten sitzen ziemlich bucklig am Bildschirm, "total kollabiert", nennt es Hirt. Was er dann macht: Er tippt ganz sanft auf die Schulter, erzeugt einen taktilen Reiz, über den sich der Körper aufrichtet.

"Geben Sie das Gewicht ab", bittet er und hält den Arm in seinen Händen. Je verspannter, umso schwerer sei das, erklärt er und das Ziel seiner Arbeit sei die Aufrichtung, die aber nur dann möglich ist, wenn sich eingefahrene Bewegungsmuster im Gehirn umprogrammieren – ein Prozess, der in 20 bis 30 Stunden schon möglich ist.

Gehirn umlernen

Durch Wiederholungen können Büroarbeiter lernen, ihren Kopf nicht in den Nacken fallen zu lassen, nicht ständig nach hinten zu kippen oder nach vorne zu "kollabieren". "Es geht mir darum, den Körper in eine Balance zu bringen", erklärt Hirt und zwar von Kopf bis Fuß, und in dieser Grundstruktur spielt auch die Atmung eine ganz entscheidende Rolle.

Das Ziel der Alexander-Technik sei jedenfalls eine Art von neuer Leichtigkeit, die sich durch die veränderte Sinneswahrnehmung und neu erlernte Bewegungsmuster mehr oder weniger von selbst einstellt. Denn beim Gehen, Stehen, Sitzen, Aufstehen, Atmen und sogar beim Sprechen können sich mit den Jahren viele Fehler eingeschlichen haben und unbewusst das System stören. Durch Körperarbeit lässt sich das verändern, es ist ein langsames, sich ständiges Erinnern, was unserer Anatomie gut tut. (Karin Pollack, 14.11.2016)