3D-Modell der Alpen zur Zeit des Letzten Glazialen Maximums (LGM).

Grafik: Jürgen Mey/Universität Potsdam,

Potsdam/Wien – Die Alpen heben sich stetig um ein bis zwei Millimeter pro Jahr. Auch Nordamerika und Skandinavien wachsen kontinuierlich in die Höhe. Grund dafür ist das Abschmelzen der Eisschilde nach Ende des letzten glazialen Maximums (LGM) vor etwa 18.000 Jahren. Die Reaktion der Erdkruste auf das Nachlassen der Gletscherlast dauert bis heute an, berichten Wissenschafter im Fachjournal "Nature Communications".

Für alte, tektonisch stabile Regionen der Erdkruste wie Nordamerika und Skandinavien ist schon lange bekannt, dass die beobachtete Hebung fast ausschließlich auf den sogenannten postglazialen "Reboundeffekt" zurückzuführen sind: Die Erdkruste reagiert auf die schwindende Eislast nach Ende des LGM mit einer Aufwärtsbewegung.

Zur Zeit des LGM waren auch die Alpen von Eis bedeckt. Das Ausmaß der Vereisung des Gebirgszugs war aber viel geringer als in Nordamerika und Skandinavien. Deshalb ging man bisher davon aus, dass das Abschmelzen der Gletscher keine große Bedeutung für die aktuelle Anhebung der Alpen hat.

Eisschwund simuliert

Vielmehr dachte man, dass die Hebung hauptsächlich von Materialverlust durch Erosion und den Abtrag von Sedimenten hervorgerufen wird. Ein internationales Forscherteam unter Beteiligung von Wissenschaftern der Uni Potsdam und des Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) zeigten nun aber, dass das Verschwinden des Eises nach Ende des LGM für etwa 90 Prozent der heutigen Hebung verantwortlich ist.

In jungen Gebirgen wie den Alpen sind komplexe, sich gegenseitig beeinflussende Mechanismen am Werk: Die Afrikanische Platte schiebt sich unter die Eurasische, und die Adriatische Platte (eine Teilplatte der Afrikanischen Platte) schiebt sich gegen den Uhrzeigersinn drehend unter die Eurasische Platte.

In ihrer Arbeit haben die Wissenschafter nun den Anteil von Sedimentabtrag, Eislast und lokaler Tektonik an der Hebung der Alpen verglichen. Sie verwendeten dazu Computermodelle und Daten aus Bohrungen. Sie gehen davon aus, dass sich ein Großteil des nach Ende der Hauptvereisungsphase erodierten Materials innerhalb des Gebirges abgelagert hat. Damit kann dieser Prozess nicht die Hauptursache für die Hebung der Alpen sein, nur rund zehn Prozent der Hebung können auf die Entlastung durch sedimentären Abtrag zurückgeführt werden.

62.000 Gigatonnen Eis

Die Modellierungen zeigen vielmehr, dass sich die Hebung, ähnlich wie in Skandinavien und Nordamerika, am besten mit einer entlastenden Ausgleichsbewegung nach Abschmelzen der Gletscher erklären lässt. Demnach lasteten auf den Alpen während des LGM 62.000 Gigatonnen Eis. Der Sedimentabtrag nach Ende der Vergletscherung machte aber nur gut 4.000 Gigatonnen aus.

Mit 1,5 bis 2,3 Millimeter pro Jahr ist die Hebung am östlichen und westlichen Rand des Tauernfensters in den österreichischen Zentralalpen vergleichsweise hoch, erklärte Studienautor Jürgen Mey von der Uni Potsdam. Dies liege daran, dass diese Region, die sich über die Bundesländer Tirol, Salzburg und Kärnten erstreckt, nahe des Zentrums der stärksten Vereisung während des LGM gelegen ist.

Vor allem in Teilen Österreichs kommt zu der entlastenden Ausgleichsbewegung der eisbefreiten Alpen noch ein tektonischer Effekt hinzu. Verursacht wird dieser durch die Drehbewegung der Adriatischen Teilplatte. Diese Bewegung führt dazu, dass Teile der Ostalpen Richtung Osten verschoben werden, so Mey. (APA, 10. 11. 2016)