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Martin von Tours ist jener populäre Heilige, unter dessen Auspizien sich für gewöhnlich die Tische biegen.


Foto: dpa/Stephan Jansen

Eisenstadt, Kismarton (Kleinmartin) – Der heilige Martin ist zweifellos einer der populärsten Heiligen. Denn er – der erste, der zum Heiligwerden nicht ins letale Martyrium gemusst hat – lässt den Herrgott, so wie wir alle, zuweilen gerne auch einen guten Mann sein, um bei schwerem Burgunder (oder staubigem Burgenländer) darüber zu meditieren, wie und mit welcher Beilage die übers Jahr fett gewordene Gans am vortrefflichsten zuzubereiten wäre.

Dem amtlichen und eingeschulten Burgenland beschert der Landesheilige einen Feiertag. Der 11. 11. – Faschingsbeginn anderswo – fällt heuer ganz besonders günstig als sogenanntes langes Wochenende. Immerhin feiert der Heilige 2016 ja seinen 1.700. Geburtstag. Da darf er schon einmal recht hoch leben. Nicht nur seiner Gänse und seines halben Mantels wegen. Aber deshalb natürlich auch.

Europäischer Heiliger

Martin von Tours – das zu bereden kommt bei den Ganslwirten meistens zu kurz – ist ein wahrlich europäischer Heiliger. Er erzählt nicht bloß von der endgültigen Festsetzung des Christentums als europäische Religion. Sondern auch von den karolingischen Geburtswehen des heutigen Europa.

Martin, dessen Name sich herleitet vom Kriegsgott Mars, kam 316 in Savaria auf die Welt, dem heutigen Szombathely, das als Steinamanger einst die Metropole auch des Südburgenlandes gewesen ist. Als Sohn eines Legionärs wurde er selber einer, diente dem Kaiser Konstantin, der das Christentum nicht bloß zuließ, sondern auch nach eigenem Gutdünken zurichtete im konstantinischen Glaubensbekenntnis.

Als Soldat kam Martin nach Gallien. Wandelte sich dort vom miles Caesari zum miles Christi, teilte in Amiens seinen Militärmantel mit einem Bettler. Lebte gottgefällig, sodass er zum Bischof von Tours berufen wurde. Um dem zu entgehen, versteckte er sich, Gänse verrieten ihn, was sie zum allgemeinen Zungenschnalzen bis heute zu büßen haben.

Martinische Heimkehr

Martin aber kam – nachdem die Spätantike mit ihrer Völkerwanderung sich halbwegs beruhigt hatte – wieder heim ins Pannonische. Der Merowinger Chlodwig hatte sich den Martin als Schutzherrn gewählt, das übernahmen die putschenden Hausmeier. Karl der Große trug ihn ab 792 mit den Awarenzügen weit nach Osten, bis ins Pannonische.

Und zwar buchstäblich. Denn Karl und die anderen frühen europäischen Herrscher pflegten den schönen, seither etwas aus der Mode gekommenen Brauch der Reiseresidenzen, der Pfalzen. Mit auf die Walz ging dabei stets auch der halbe Martinsmantel. Lateinisch heißt der Mantel cappa. Aufbewahrt wurde die Reichsreliquie in den Pfalz-Kapellen, bewacht von einem Kaplan.

Lostag

Der Patron Frankreichs, der Slowakei und des Burgenlandes beherrscht das bevorstehende Wochenende nicht nur, aber ganz besonders im Burgenland. Dort haben die Winzer ihren schönen Brauch des Köllerschauns zum Tourismusevent des Martinilobens erweitert. Der junge Wein wird verkostet und getauft. Erst danach darf man sich zuprosten, vorher heißt das: "Mahlzeit".

Dass die Kinder zu Martins Lobe mit den Laternen gehen, hängt mit einem anderen Martin zusammen, der freilich auch demnächst sein Jubiläum feiert. Martin Luther, der 1517 seine Thesen an die Kirchtür genagelt hat, kam am 10. November auf die Welt. Ihm zu Ehren wurde gerne die Nacht hell gemacht. Das fanden auch die Katholischen dann erhellend.

Und falls bei Gansl und Jungwein noch Fragen bleiben: Martini war seit jeher auch ein Lostag. "Ist die Gans am Brustbein braun" so sagt man, "wirst mehr Schnee als Kälte schaun. Ist sie aber weiß, kommt wenig Schnee, doch Eis."

Na dann: Prost, Mahzeit. (Wolfgang Weisgram, 11. 11. 2016)