Bei der Grazer Holding will man nach der Kritik zumindest über die Höhe der "Strafen" für Minderjährige nachdenken.

Foto: Martin Dirninger

Graz – Wenn plötzlich die Frage: "Guten Tag, könnte ich bitte Ihren Fahrschein sehen", in der Straßenbahn oder im Bus ertönt und der Fahrgast kein gültiges Ticket vorweisen kann, hat er in Graz die Wahl: Sofort 70 Euro als sogenannte "Mehrgebühr" an die Kontrolleure zahlen oder einen Erlagschein über 100 Euro mitnehmen und einzahlen.

"SchülerInnen-Ticket"

Das trifft auch Kinder und Jugendliche, die die Öffis verwenden, um zur Schule und wieder nach Hause zu kommen. Für sie gibt es in Graz vergünstigte "SchülerInnen"- bzw. Lehrlingstickets für die Strecke zur Ausbildungsstätte und zurück oder das auf allen steirischen Linien im Verbund gültige Topticket. Auf allen diesen Tickets ist auch ein Foto der Inhaber. Wenn ein Kind ohne gültigen Fahrschein kontrolliert wird, etwa weil es diesen vergessen hat oder eine Station zu spät ausgestiegen ist, bekommt es auch einen Erlagschein mit. Doch dieses seit Jahren übliche Vorgehen ist "rechtswidrig", sagt der Grazer Anwalt Gottfried Stoff, der deswegen 2014 an die Holding Graz schrieb. Damals kam sein eigener Sohn mit einem Erlagschein über (damals) 95 Euro nach Hause.

Kinder sind nicht geschäftsfähig

"Natürlich sollen Eltern dafür sorgen, dass die Kinder Fahrscheine haben", erklärt Stoff im Gespräch mit dem STANDARD, "aber hier handelt sich um eine im Vorhinein in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Holding Graz vereinbarte Mehrgebühr. Kinder sind aber nicht geschäftsfähig, können also eine solche Vereinbarung gar nicht abschließen." Das legte Stoff auch in einem Schreiben an die Holding Graz dar. Prompt wurde ihm "vollständige Kulanz" angeboten. Doch der Anwalt beharrte darauf, dass es sich "in keinster Weise" um einen Kulanzfall handeln würde, sondern dass die AGB der Holding Graz geändert werden müssen, weil sie rechtswidrig seien.

Stoff zahlte zwar nichts, die AGB wurden aber auch nicht geändert. Weiterhin werden Kindern Erlagscheine mit nach Hause gegeben. Vor wenigen Wochen war es die 13-jährige Tochter einer Bekannten Stoffs. Auch diese Familie schrieb an die Holding, auch sie bekam "einmalige Kulanz" gewährt. Die Mutter des Mädchens ärgert sich über das Vorgehen im Gespräch mit dem STANDARD: "Viele Eltern zahlen das einfach ein, weil sie glauben, sie müssen das. Dabei stimmt das überhaupt nicht."

Kontrollen durch Privatfirma Securitas

Bei den Grazer Linien sind es seit 15 Jahren Mitarbeiter der Privatfirma Securitas, die Fahrgäste auffordern, einen gültigen Fahrschein vorzuweisen. Vor 2001 wurde das Personal hierfür von den Linien intern gestellt. Weder damals noch heute dürfen Kontrolleure übrigens Taschen nach Geld oder Ausweisen durchsuchen – bei keinem Fahrgast.

Seitens der Holding Graz sagt man auf STANDARD-Nachfrage, dass es sich tatsächlich in den meisten Fällen bei Minderjährigen nicht um Schwarzfahrer handelt, sondern einfach das SchülerInnen-Ticket vergessen wurde.

Grazer Linien wollen über Betrag nachdenken

Die Securitas-Mitarbeiter nehmen dann "wie auch bei anderen österreichischen Verkehrsunternehmen, etwa in Linz, die Daten von Jugendlichen und Kindern ohne gültigen Fahrschein auf", gleichzeitig stelle man den Erlagschein mit dem in den Beförderungsbestimmungen festgelegten Tarif aus, so Holding-Sprecher Gerald Pichler. Zudem versuchen Kontrolleure "die Eltern der Kinder anzurufen, um hier vorbeugend über mögliche Irrtümer und über die von den Graz Linien gewährte Kulanz zu informieren".

"Mich hat kein Mensch angerufen", betont Stoff, "auch sonst kenne ich keinen Fall, in dem Eltern kontaktiert wurden. Aber selbst wenn das so wäre, wäre die Mehrgebühr deswegen nicht zulässig." Bei der Holding räumt man nach der Kritik ein, "sich zumindest den hohen Betrag bei Jugendlichen und Kindern noch einmal anzuschauen". (Colette M. Schmidt, 11.11.2016)