Autsch. Die Computermaus verursacht das, was einst auch der Tennisschläger bei Überlastung auslöste.

Patienten mit Tennisarm hatten über Jahre Ähnlichkeiten: Sie waren muskulös, dynamisch und sportlich gekleidet. Dieses Bild stimmt aber längst nicht mehr. Immer öfter diagnostizieren Ärzte diesen bei Menschen, die zu viel vor dem Computer sitzen, stundenlang tippen oder ständig mit der Computermaus hantieren. "Wir nennen es deshalb gerne auch Mausarm", sagt Dominik Meyer, Orthopäde an der Universitätsklinik in Zürich. Der Tennisellenbogen, im Fachjargon Epicondylitis humeri lateralis, wird durch Überbeanspruchung ausgelöst. Kortisonspritzen bringen Erleichterung, langfristig vermögen sie die Beschwerden aber nicht besser zu lindern als Placebo, konnten Forscher der Universität Oslo jüngst zeigen.

In der Studie waren 177 Patienten mit Physiotherapie und zusätzlich entweder mit Kortison- oder Placebospritzen behandelt worden. Nach sechs Wochen hatten diejenigen mit Kortison weniger Schmerzen. Doch nach drei Monaten und einem Jahr hatten sich die Beschwerden in beiden Gruppen gleich gut gebessert. "Hat man sehr starke Schmerzen und muss man schnell fit sein, kann man sich durchaus mal eine Kortisonspritze geben lassen", sagt Christian Krasny, Ellenbogenchirurg am Orthopädischen Spital Speising. "Aber bei den meisten bessern sich die Beschwerden mit Schonung und Physiotherapie von selbst, und man erspart sich die Nebenwirkungen."

Mediziner gefordert

Der Chirurg Percival Mills soll den Namen Tennisellenbogen erfunden haben, und das Problem schien ihn ziemlich zu frustrieren. "Es gibt zurzeit wahrscheinlich nichts, das die Chirurgie mehr entehrt, als unsere Unfähigkeit, einen Tennisellenbogen zu heilen", schrieb er 1928 im British Medical Journal. "Wir sind so hilflos bei der Behandlung, dass viele der Betroffenen nie mehr zum Arzt gehen wollen."

Epicondylitis entsteht, wenn man die Streckmuskeln überbeansprucht, die vom Handgelenk an den Ellenbogen führen. Also zu viel Tennis mit Rückhand, eintönige Arbeit im Garten, an Maschinen oder am PC – alles Bewegungen, bei denen man immer wieder den Handrücken "nach außen" in Richtung Ellenbogen knickt. "Die Leute leiden sehr", sagt Reinhard Weinstabl, Sporttraumatologe in Wien. "Manche können noch nicht mal mehr ein Kaffeehäferl halten, weil es so wehtut."

Durch ständige einseitige Bewegung werden die Streckmuskeln so beansprucht, dass sie an ihrem sehnigen Ansatz am Oberarm einreißen. "Die Sehne versucht zu heilen, aber wenn man ihr keine Ruhe gönnt, gelingt das nicht", erklärt Meyer. Das Gewebe ist gereizt, und es tut weh, wenn jemand auf den Ellenbogen drückt. Meyer diagnostiziert fast täglich einen Tennisellenbogen. "Bei den meisten liegt es aber nicht an zu viel Sport, sondern eher daran, dass die Leute zu viel am Computerarbeiten und die Maus benutzen", erzählt er. Eine erste Selbstdiagnose kann jeder Betroffene selbst vornehmen: Kann man nur noch unter Schmerzen eine Kaffeetasse halten oder einen Lappen auswringen, könnte eine Epicondylitis lateralis dahinterstecken. Schmerzt es mehr auf der Innenseite am Ellenbogen und tut es vor allem bei Bewegungen "nach innen" weh, ist es eher eine Epicondylitis medialis – ein Golferellenbogen, der allerdings eher bei Bauarbeitern als bei Golfern auftritt.

Pragmatisches Vorgehen

Mehr als vierzig Behandlungsmöglichkeiten gibt es, darunter Physiotherapie, Schmerztherapie, Akupunktur, Stoßwellen und Spritzen mit Botulinumtoxin, Kortison oder Eigenblut. Was am besten ist, ließ sich evidenzbasiert nicht ermitteln, viele Studien hatten qualitative Mängel.

Die Mediziner haben sich mehr oder weniger auf eine Strategie geeinigt. "Das Wichtigste: Die Schmerz auslösenden Bewegungen meiden", sagt Meyer. Büroarbeitern rät er zu einer Silikon-Bank und einer "Tennisarm-Computermaus". In Studien gut abgeschnitten hat Physiotherapie mit Dehnübungen der Muskeln. Lassen die Schmerzen nach einem Monat nicht nach, rät Claudio Rosso, Sportmediziner bei Arthro-Medics in Basel, zu Stoßwellentherapie. "Zwar hat das in Studien keinen großen Effekt gezeigt, aber das liegt womöglich auch daran, dass die Intensität zu gering war." Rosso behandelt fünf Wochen lang, jede Woche einmal, damit würden bei 70 Prozent der Patienten die Beschwerden abklingen. Hilft die konservative Therapie nicht, kommt eine Operation infrage. 85 Prozent der Patienten berichten danach, sie hätten keine Schmerzen mehr.

Kortison spritzen Ärzte nur dann, wenn jemand kurzfristig beschwerdefrei sein will. Die Meinung der drei Experten: "Fast immer kommt der Schmerz zurück, oft schlimmer als vorher", sagt Orthopäde Meyer. "Kortison sollte nicht um Sehnen injiziert werden", so Rosso. Sie können dadurch reißen." Von diesem Dogma weicht er nur selten ab. So wie neulich in Rio: Da spritzte er einem Sportler Kortison in die Sehne, damit er an den Olympiabewerben teilnehmen konnte. "Wenn jemand unbedingt Kortisonspritzen haben möchte, gebe ich sie ihm", sagt Reinhard Weinstabl, "letztendlich muss das jeder selbst entscheiden." (Felicitas Witte, 12.11.2016)