Udochuku Richson (links) und Johannes Dachler (Vierter von links) spielen gemeinsam mit Flüchtlingen Rugby im Wiener Prater.

Foto: Nadine Studeny

Kommunikation mit Ball.

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Dass ROB die Anlage der RU Donau unentgeltlich nutzen kann, macht das Projekt finanziell überlebensfähig.

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Wien/London – Eins war zum anderen gekommen. Schon länger war Stiig Gabriel mit der Idee schwanger gegangen, ein Sozialprojekt der ein oder anderen Art zu starten. Denn so etwas passt zur Rugby-Mentalität, wo Weltoffenheit täglich gelebte Realität ist. Das gilt natürlich auch für die RU Donau, Österreichs Serienmeister, dessen Sportdirektor Gabriel ist.

Im Frühjahr 2015 waren die Voraussetzungen für eine Umsetzung gegeben. Donau, lange selbst eine Existenz als Wandervogel fristend, hatte im Trendsportzentrum im Wiener Prater endlich eine Heimstätte gefunden – und damit auch die notwendige Infrastruktur zur Verfügung, die der Initiative den Boden unter den Füßen verschaffte. Auch einen Namen hatte diese nun: "Rugby Opens Borders" (ROB).

In Udochuku Richson, Immunbiologe und Ex-Teamspieler, fand Gabriel einen kongenialen Partner, der ROB mit Leben erfüllte. Nach einer Sondierungsphase kristallisierte sich heraus, dass unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Mittelpunkt der Arbeit stehen würden. Nicht nur sportliche Betätigung wollte man offerieren, sondern auch ein weitergefasstes soziales Netzwerk. Nicht zuletzt das Zusammentreffen mit österreichischen Jugendlichen sollte einen Integrationsprozess anstoßen.

Eisbrecher Ball

Lieber jedoch spricht Richson von Inklusion: So weit wie möglich werden die Flüchtlinge in den Vereinsalltag eingebunden. Einige Sportler sind mittlerweile fixer Bestandteil der U18 Donaus. Auf sie wird gezählt, wie auf jeden anderen auch. Bei entsprechender Weiterentwicklung gibt es die Perspektive, irgendwann auch in die erste Mannschaft aufzurücken. Nach den wöchentlichen Trainings wird gemeinsam gekocht und gegessen. "So", sagte Richson dem STANDARD, "entwickelt sich ein Rahmen, in dem Austausch möglich wird." Und Austausch beruht auf Wechselseitigkeit. "Wir lernen auch von ihnen."

Ersten Kontakt zu den Flüchtlingen gab es in den Einrichtungen von Caritas oder Don Bosco. Mit Händen und Füßen habe man zu erklären versucht, worum es geht. Eisbrecher waren der Ball und die ersten Passes im Hof. "Ab dann", so der österreichische Internationale Johannes Dachler, "haben wir miteinander gelacht." Die Freude sei groß gewesen, über ein Betätigungsfeld abseits des Mainstreams. Ebenso aber auch der Bedarf, denn Warten ist oft die Hauptbeschäftigung der jungen Leute. Rund 300 haben das Angebot von ROB bisher genutzt, die meisten aus Syrien, Afghanistan und Somalia. Für das kommende Jahr will man sich schwerpunktmäßig Frauen annehmen.

Man spricht Deutsch

Trotzdem die Sprache des Sports eine mächtige ist, in der es oft nicht viele Worte braucht, wurde von Anfang an großer Wert darauf gelegt, das Deutsche zu forcieren. Die Coaches stießen dabei auf offene Ohren. Gabriel: "Oft genug wurden wir darum gebeten, Deutsch zu sprechen. Es gibt den Wunsch, zu lernen." Mittlerweile sind die Fortschritte bei manchen so weit gediehen, dass sie nun selbst in der Lage sind, neu Dazustoßenden bei der Verständigung zu helfen – eine große Erleichterung.

Und dann schwebt über all dem noch der Rugby-Spirit, der seine Jünger recht umstandslos zu einer großen Bruder- und Schwesternschaft zusammenführt, egal, wohin sie das Schicksal auch verschlagen haben mag. "Wir teilen einen Wertekanon, der auch den ROB-Jungs vermittelt wird", erläutert Gabriel. Disziplin, Fairness, Mannschaftsgeist – und, ganz wichtig, Respekt, kommen darin vor. Damit könne man überall auf der Welt andocken, sobald man sich als Mensch und Rugbyaner zu erkennen gibt.

Etwa 15 Personen sind im ROB-Kernteam ehrenamtlich engagiert, dazu kommen viele, die im Orbit kreisen, näher oder ferner, immer wieder punktuell Zeit investierend, weiterhelfend. Eine schöne Erfahrung sei es auch gewesen, sagen Dachler und Richson unisono, dass es gelang, Brücken nach außen zu schlagen. Auch andere österreichische Klubs sind nunmehr mit an Bord.

Kaum zu glauben

Und nun also London, die die Auszeichnung mit dem "Award for Character" auf der Gala des Rugby-Weltverbands. Seit 2001 werden diese Oscars des Sports jährlich in diversen Kategorien als Anerkennung exzellenter Leistung verliehen. Als die Benachrichtigung eintrudelte, fielen die Wiener aus allen Wolken – aber auf eine gute Art. Noch immer können sie es nicht so ganz glauben, dass die Wahl tatsächlich auf ihr Baby fiel. "Mit den größten Namen im Weltrugby in einem Atemzug genannt zu werden, ist eine Riesenehre", sagte Dachler. "Aber es ist auch eine Verpflichtung, die Arbeit, so gut wir können, weiterzuführen." (Michael Robausch, 14.11.2016)