Steinmeier verbindet die oft zerstrittenen Koalitionäre in Berlin.

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Berlin – Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier soll neuer deutscher Bundespräsident werden. Nach wochenlangen Überlegungen verständigte sich die schwarz-rote Koalition darauf, eine Kandidatur des SPD-Politikers für das höchste Staatsamt zu unterstützen. Die Union beugte sich damit am Montag dem Drängen der Sozialdemokraten, die beharrlich an Steinmeier festgehalten hatten.

Da Union und SPD in der Bundesversammlung über eine große Mehrheit verfügen, gilt die Wahl des 60-Jährigen als sicher. Die Linkspartei kündigte an, einen eigenen Kandidaten ins Rennen zu schicken. Grüne und FDP schlossen eine Unterstützung Steinmeiers nicht aus, wollen sich aber Zeit lassen. Der Nachfolger von Amtsinhaber Joachim Gauck wird am 12. Februar gewählt.

Nachdem Kanzlerin Angela Merkel die Lage geschildert habe, sei die Zustimmung im Präsidium und im Bundesvorstand der CDU sehr groß gewesen, sagten Sitzungsteilnehmer. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer sagte in München, er habe sich auch andere Dinge vorstellen können. "Aber es gibt dann auch eine Verantwortung für das Amt und für das Land, und der muss man dann gerecht werden, auch wenn es nicht allen parteipolitischen Vorstellungen entspricht."

Großes Ansehen

Die Union hatte sich nicht auf eine Alternative verständigen können, die Steinmeier ebenbürtig und auch für die SPD tragbar gewesen wäre. Bundestagspräsident Norbert Lammert hatte bereits abgewunken. Auch der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, soll nicht zu einem Wechsel ins Berliner Schloss Bellevue bereitgewesen sein. In der CDU wurde für die fehlende Alternative auch Seehofer verantwortlich gemacht, der eine schwarz-grüne Lösung – etwa eine Kandidatur des baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) – abgelehnt habe.

Die Nominierung Steinmeiers gilt vor allem als Erfolg für SPD-Chef Sigmar Gabriel. Er hat noch nicht erklärt, ob er seine Partei als Kanzlerkandidat in die Bundestagswahl 2017 führen wird. Auf die Frage, wie er CDU und CSU überzeugt habe, sagte Gabriel: "Die Person Frank-Walter Steinmeiers hat überzeugt." Der Außenminister habe ein großes Ansehen und gerade in Krisenzeiten gezeigt, dass er alles für Frieden und Sicherheit tue. "In einer Zeit der Brüche, der Umbrüche, der Unsicherheit, in der es neu um den sozialen Zusammenhalt und um die Sicherung unserer Demokratie geht, ist Vertrauen in den höchsten Repräsentanten des Staates unabdingbar." Steinmeier sei ein Kandidat, der dieses Vertrauen genieße und Sprachlosigkeit überwinden könne.

Schulz als Außenminister im Gespräch

In der CDU gab es allerdings auch Kritik. Finanzminister Wolfgang Schäuble bezeichnete die Nominierung in der Präsidiumssitzung nach Angaben von Teilnehmern als Niederlage für die Union. Auch Präsidiumsmitglied Jens Spahn äußerte sich demnach kritisch. CDU-Generalsekretär Peter Tauber verteidigte jedoch die Entscheidung: "Es steht den Volksparteien in diesen bewegten Zeiten gut an, gemeinsam eine respektable Persönlichkeit für das höchste Staatsamt vorzuschlagen." Steinmeier habe gezeigt, dass er Gräben überwinden wolle und sich auch in schwierigen Situationen um Ausgleich bemühe.

Am Mittwoch wollen Merkel, Seehofer und Gabriel ihren Kandidaten auf einer Pressekonferenz offiziell präsentieren. Wer Steinmeier als Außenminister folgen wird, wird laut Gabriel entschieden, wenn die Bundespräsidentenwahl näherrückt. "Derzeit stellt sich die Frage nicht." Schon länger gibt es Spekulationen, wonach der bisherige EU-Parlamentspräsident Martin Schulz Chef des Außenamts werden könnten.

Die Linkspartei kündigte an, für das Amt des Staatsoberhaupts einen eigenen Kandidaten aufzustellen. Dies solle verdeutlichen, "dass es eine Alternative zu Sozialabbau und Kriegseinsätzen gibt", sagte Fraktionschefin Sahra Wagenknecht. Die Partei- und Fraktionsspitzen der Grünen erklärten, Steinmeier sei respektabel, weltoffen und verbindend. Er werde zu einem Gespräch eingeladen, um mit ihm über gesellschaftlichen Zusammenhalt, die Rolle Deutschlands in der Welt sowie über Europa und die Klimapolitik zu reden. Für die FDP sagte der Vorsitzende Christian Lindner: "Wir werden ihm jetzt genau zuhören, welche Schwerpunkte er mit seiner Kandidatur verbinden will."

Beliebtester Politiker

Steinmeier wurde 1956 als Sohn eines Tischlers im nordrhein-westfälischen Detmold geboren. Unter Gerhard Schröder, der Steinmeier am Montag ausdrücklich lobte, war er von 1999 bis 2005 Chef des Kanzleramts. In dieser Zeit wirkte Steinmeier maßgeblich an Schröders Hartz-Reformen mit. In Merkels erster großer Koalition wurde Steinmeier 2005 Außenminister. Von 2007 an bekleidete er das Amt des Vizekanzlers. Bei der Bundestagswahl 2009 zog er schließlich als SPD-Kanzlerkandidat ins Rennen. Die SPD stürzte jedoch auf 23 Prozent ab – ihr schlechtestes Ergebnis seit 1949. Während der folgenden schwarz-gelben Regierungszeit fungierte Steinmeier bis 2013 als Vorsitzender der SPD-Fraktion im Bundestag. In der Neuauflage der schwarz-roten Regierung wurde er 2013 erneut Außenminister. Seit langem führt er die Liste der beliebtesten Politiker an.(red, APA, 14.11.2016)