Bulgariens Regierungschef Boiko Borissow stürzt sein Land ohne Not in eine neue Phase der politischen Unsicherheit. Wieder einmal vorgezogene Wahlen – die dritten in vier Jahren – mit einem absehbar erneut zersplitterten Parlament will eine Mehrheit der Bulgaren nicht. Borissows Rücktritt hält sie für unangebracht. Doch erpressen lassen wollten sich die bulgarischen Wähler dann doch nicht. "Wählt meine Präsidentenkandidatin, oder ich trete mit meiner Regierung zurück", hatte Borissow seinen Landsleuten gedroht. Man kann das kindisch nennen, selbstverliebt oder auch nur politisch untalentiert.

Borissows Kandidatin hat verloren. Na und? Es war die falsche Person, viel zu spät benannt, schwach gemanagt. Wirklich wichtig ist das Amt des Staatspräsidenten in Bulgarien sowieso nicht. Dass Borissow zuvor seinen eigenen Wechsel ins Präsidentenamt für die übernächste Amtszeit im Jahr 2022 ankündigte, war der noch größere Fehler. Über Zukunftspläne redet man nicht. Man setzt sie in die Tat um, wenn es so weit ist. Doch Boiko Borissow, der noch am längsten amtierende Premier im wackligen EU-Staat Bulgarien, sieht sich schon als ein zweiter Todor Schiwkow, als ewig geliebtes Väterchen der Bulgaren, so wie der einstige ZK-Generalsekretär und Staatsratsvorsitzende noch heute nicht wenigen in nostalgischer Verklärung erscheint.

Nun wird Rumen Radew, der frühere General der Luftstreitkräfte, Staatschef. Ist er russlandfreundlich? Ein Putin-Lakai? Die Oligarchen im Land mögen das glauben machen, die proamerikanisch und liberal tuenden wie jene, die immer im Geschäft mit Moskau sind. Tanzt Radew nicht nach ihrer Pfeife, werden sie ihn mit einer Medienkampagne überziehen. Dem scheidenden Präsidenten Rossen Plewneliew erging es so. Radew repräsentiert für die Bulgaren weiterhin die Armee. Sie hat weit mehr Ansehen als Präsident und Parlament. Das ist das wirkliche Problem. (Markus Bernath, 14.11.2016)