Die Sex-Kolumnistin Karley Sciortino versteht sich als Feministin – und wirbt für Mode von Monki.

Foto: Monki

Ein feministisches Slogan-Shirt bei Dior und eines aus dem Shop von Boutiqueist bei Etsy.

Foto: APA / AFP / François Guillot, Boutiqueist für Etsy

Die weiße Bluse unter der Brust geknotet, darunter nichts als nackter Bauch und Unterhose. Die blonde Frau mit den roten Lippen hat die Arme in die Hüften gestemmt, im Rücken eine senkrecht aufgeschlitzte rosa Wand mit dem Schriftzug "Please yo'self".

Die blonde Frau mit den roten Lippen heißt Karley Sciortino und ist mehr als irgendein Model. Die Amerikanerin schreibt seit zehn Jahren auf ihrem Blog "Slutever", für "Vice" und die amerikanische "Vogue" über Sex und Beziehungen. In ihren Texten stellt sie Fragen wie "Würdet ihr mit einem Republikaner schlafen?". Sciortino ist eine von zehn Aktivistinnen, die die schwedische Fotografin Arvida Byström für den H&M-Ableger Monki in Szene gesetzt hat. Zum Zehn-Jahr-Jubiläum gönnte sich das Unternehmen eine rosa angepinselte Kampagne, in der Frauen mit Achselhaaren und in Periodenblut stehend posieren. Fast zeitgleich veröffentlichte H&M unter dem Hashtag #ladylike ein Video, das mit Achselhaaren und Plus-Size-Models warb.

Mit feministischen Messages Mode zu bewerben ist 2016 alles andere als geschäftsschädigend. "Feminismus", "Girl Power", "Nasty Woman" – solche Slogans gehen auf Unterhosen und T-Shirts weg wie warme Semmeln. Mode lässt sich mit dem Feminismus-Button derzeit als cooler Appetithappen verkaufen.

Das funktioniert, weil Monki und Co die erwachsen gewordene Generation Lillifee mit einer vertrauten Bildsprache abholen. Die tut auf den ersten Blick niemandem weh. Arvida Byström oder Petra Collins, die Bildermacherinnen dieser jungen Generation an Feministinnen, knüpfen mit Pastellfarben an Sofia Coppolas handzahme Retroästhetik an. Was ihre Bilder von den mädchenhaften Inszenierungen in "The Virgin Suicides" unterscheidet? Die Fotografinnen integrieren Störmomente in ihren Bildern.

Pickel und Dellen

Bei Collins und Byström sind nicht alle Models weiß und dünn, manche von ihnen tragen Haare unter den Achseln, ab und zu sind blaue Flecken, Pickel und Dellen zu sehen. Trotz dieser vermeintlichen Schönheitsfehler kommen die Auftraggeber der beiden Fotografinnen vor allem aus dem Modebereich. Sie zeichnen Bilder von Weiblichkeit, die in den sozialen Netzwerken Anklang finden, obwohl sie wenig von den perfekt konturierten Selfies einer Kim Kardashian haben.

Die Karriere der 23-jährigen Petra Collins begann bezeichnenderweise mit einem Social-Media-Skandal: Ihr Instagram-Account wurde gesperrt, weil sie auf einem Foto Schamhaare zeigte. Für American Apparel designte die Kanadierin ein T-Shirt mit der Abbildung einer menstruierenden und masturbierenden Frau.

Von Miley Cyrus bis Lena Dunham

Spätestens seit sich Miley Cyrus 2013 in einem Interview mit der "BBC" als "eine der größten Feministinnen der Welt" bezeichnete, Beyoncé 2014 während der MTV Music Awards ein "Feminist"-Banner quer über die Bühne spannte, Lena Dunham in ihrer Serie "Girls" ihre blassen Rundungen im Bikini zeigte und die amerikanische Unternehmerin Sophia Amoruso, Gründerin des Onlineshops Nasty Gal, 2014 auf dem rosa Cover ihres Buches "#Girlboss" prangte, kann "Feminismus" auch vom Mainstream buchstabiert werden.

"Viele junge Frauen sind über Vorbilder aus der Popkultur vertraut mit dem Thema Feminismus und offen für mehr Infos", erklärt denn auch Verena Bogner (24), Managing Editor von "Broadly", dem 2016 nach Deutschland und Österreich importierten Frauenportal der "Vice"-Gruppe: Für Bogner schließen sich ein Interesse für feministische Belange sowie für Nagellack und Lippenstift nicht aus: Aus der kritischen Auseinandersetzung mit politischen Themen wie Gerechtigkeitsfragen, Popkultur und sogenannten Girlie-Themen habe sie ein Interesse an feministischen Fragen entwickelt. "Ich glaube, so ticken viele junge Frauen meines Alters."

Sie konsumieren nicht mehr nur dezidiert feministisch orientierte Magazine wie "Missy", sondern auch Mode- und Lifestyleblogs. Oder die Youtube-Videos von Suzie Grime. Die Berliner Youtuberin hat ihren Kanal unter das Motto "Mode, Gras und Feminismus" gestellt. "Girlpower" lautet auch der Schlachtruf des Hamburger Lifestyleblogs "femtastics". In diesem Jahr haben Anna Weilberg, Katharina Charpian und Lisa van Houtem, die drei Macherinnen des Blogs, ein T-Shirt herausgebracht, das der Schriftzug "Girl Gang" ziert. Mit ihm wollten sie ein Statement setzen: für weiblichen Zusammenhalt.

Diese Töne hört man in letzter Zeit öfter. Dass eine solche Solidarisierungswelle ausgerechnet im extrem individualisierten Mode- und Lifestyle-Bereich zu beobachten ist, ist schlüssig: In den letzten Jahren ist eine Generation an Modebloggerinnen und Youtuberinnen herangewachsen, die sich intensiv mit der eigenen visuellen Selbstvermarktung beschäftigt und zu deren täglichem Geschäft es gehört, mit Kritik am eigenen Körper konfrontiert zu sein. Diese Kritik wollen viele so nicht mehr stehen lassen. Auf Modeblogs wie "This is Jane Wayne" laufen hitzige Debatten – in denen es weniger um "Feminismus-Shirts" als um Alltagssexismus und Gender-Pay-Gap geht.

Slogan-Shirts

Das Geschäft mit einschlägigen Slogan-Shirts boomt dennoch: "The Future is female", "Girl Gang", "Girl Power", auf dem Portal Etsy werden rund 2000 unterschiedliche T-Shirts mit feministischen Slogans angeboten.

Die feministischen Ansagen sind mittlerweile aus dem DIY-T-Shirt-Eck auf den Laufstegen gelandet. Designerin Maria Gracia Chiuri schmuggelte im September anlässlich ihres Antritts als erste weibliche Designerin im Modehaus Dior den Slogan "We should all be feminists" auf einem weißen Baumwollshirt in ihre Kollektion. Den Spruch hat sich Chiuri nicht selbst ausgedacht, den hat sie dem gleichnamigen Buchbestseller der nigerianischen Autorin Chimamanda Ngozi Adichie entliehen. Sie saß während der Modeshow wie Rihanna und Kate Moss in der ersten Reihe.

Der Vorwurf des Ausverkaufs feministischer Ideen steht dennoch im Raum. Die Journalistin Andi Zeisler kritisierte gerade erst in diesem Jahr in ihrem Buch "We Were Feminists Once", Untertitel "From Riot Grrrl to CoverGirl®", den marktkonformen "Feel-good-Feminismus".

Bloggerin van Houtem von "femtastics" glaubt dennoch: Wenn ein Produkt mit einer feministischen Botschaft zu einer ersten Berührung junger Mädchen mit dem Thema führe, dann sei das doch vor allem eines: eine positive Sache. (Anne Feldkamp, RONDO, 22.11.2016)