Teures Pflaster: Die Solarstraße erzeugt auch Strom.

Foto: Colas / Joachim Bertrand

So wenig aufsehenerregend das Ergebnis aussieht, so revolutionär ist die Idee: ein Straßenbelag, der auch Strom erzeugen kann. "Wattway" heißt das Konzept, welches das französische Unternehmen Colas, eine auf Verkehrsinfrastruktur spezialisierte Tochter des französischen Bauriesen Bouygues, gemeinsam mit dem französischen Nationalinstitut für Solarenergie erfunden hat. Die Entwicklung läuft seit 2011.

Vor dem Colas-Forschungszentrum im Südwesten des Großraums Paris kann man begutachten, befahren und begehen, was derzeit etwa schon in Chambéry und Grenoble, in einem niederländischen Dörfchen, aber auch in Kanada auf seine Praxistauglichkeit getestet wird: eine Straße, die ein bisschen so aussieht wie der elegant geflieste Boden eines Badezimmers. Die Herausforderung: Die gerade einmal sieben Millimeter dicken Photovoltaikplatten müssen naturgemäß nicht nur witterungsbeständig sein, sondern sie müssen auch dem hohen Druck der über sie hinwegrollenden Autos und insbesondere dem der schweren Lkw standhalten.

Lastwagen-tauglich

Eine "Straßenführung" von Colas-Technikdirektor Yann Lefeuvre ist spektakulär und nüchtern zugleich: Immerhin ist der Straßenbelag aus Solarpaneelen bisher einzigartig auf der Welt. Dementsprechend elektrisiert reagierte vor allem die Fachpresse. Technisch geht die Sache so: Die blau schimmernden Platten bestehen aus speziell beschichteten Solarzellen, die in einem Mehrschichtsubstrat eingebettet sind. Diese sammeln Solarenergie über einen sehr dünnen Film aus polykristallinem Silizium, der die Erzeugung von Elektrizität ermöglicht. Die Solarzellen werden zum Schutz mit widerstandsfähigem Harz bedeckt. Die Teermischung ist dabei quasi das Geheimrezept, wie Lefeuvre erklärt.

Selbst Lastwagen mit einem Achsengewicht von bis zu 13 Tonnen sollen über die Straße rollen, ohne die Paneele zu beschädigen. Bisherige Praxistests hätten gezeigt, dass die Photovoltaikplatten solche Lasten tatsächlich nicht nur auf dem Papier tragen können, so Lefeuvre. Abgeschlossen sind die Tests aber noch nicht.

Teures Pflaster

Der Haken an der Sache ist derzeit noch der Preis: Während herkömmlicher Straßenbelag je nach Anforderung und Gegebenheiten vor Ort zwischen drei und 30 Euro je Quadratmeter kostet, fallen bei Wattway in der jetzigen Phase 2.000 Euro an. Noch, sagt Lefeuvre: "Am Ende wird der Preis bei einer Markteinführung, die bereits 2018 geplant ist, erheblich fallen."

Lefeuvre hat jede Menge Ideen, wie Gemeinden von solchen Solarstraßen profitieren könnten: "Mit dem Strom können entweder direkt Straßenlampen oder Ampeln in der Umgebung versorgt werden, oder die Elektrizität wird ins allgemeine Energiesystem oder in Speichern weitergeleitet." Immerhin würden 20 Quadratmeter einer solchen Solarstraße ein ganzes Haus mit Strom versorgen.

Ein Kilometer Straße mit Wattway reiche auch aus, um in einer Stadt mit 5.000 Einwohnern die öffentliche Beleuchtung zu elektrifizieren. Für die Zukunft kann sich Colas auch vorstellen, dass Elektroautos ihren Strom aus den Wattway-Zellen erhalten, also per Induktion über die Straße aufgeladen werden. Lefeuvre ist davon überzeugt, dass sich mit dieser Art Straßenbelag ganz neue Geschäftsmodelle ergeben würden. "Die hohen Anschaffungskosten könnten sich da bald einmal rechnen." Auch deswegen, weil die Paneele direkt auf den bestehenden Straßenbelag aufgebracht werden können, wie Lefeuvre betont. Es sei also nicht nötig, aufwendig eine bestehende Straße aufzureißen und Asphalt zu entfernen.

Fahreigenschaften im Test

Ein wichtiger Punkt für die Entwickler war auch, dass die Fahreigenschaften auf den Paneelen sich von denen auf herkömmlichem Asphalt möglichst nicht unterscheiden. "Auch hier steht eine abschließende Beurteilung noch aus", sagt Colas-Mann Lefeuvre. Für eine gute Straßenhaftung haben die Wattway-Platten eine Oberfläche aus einem Granulat aus Glas und Kunstharz. Der Energieverlust im Vergleich zu einer reinen Glasscheibe soll im Endeffekt sehr gering sein.

Geht es nach der Global Construction Review –einer Publikation eines Baufachverbands –, träumt Umwelt- und Energieministerin Ségolène Royal bereits den großen Umwelttraum: 1.000 Kilometer sollen innerhalb der nächsten fünf Jahre mit dem teuren Pflaster beschickt werden. (Regina Bruckner aus Paris, 15.11.2016)