Gewalt unter Jugendlichen ist zwar nichts Neues, das Filmen und Onlinestellen der Übergriffe hingegen schon. Facebook lässt die Postings zu, solange sie Gewalt nicht verherrlichen.

Foto: Lukas Friesenbichler

Wien – Im Fall der Jugendlichen, die eine 15-Jährige nahe dem Wiener Donauzentrum misshandelt und die Tat gefilmt hatten, wurden nun alle vier Tatverdächtigen, drei Mädchen und ein Bub, ausgeforscht und angezeigt. Am Dienstag wurde außerdem ein weiterer Übergriff bekannt, an dem die 15-Jährige hauptverdächtige Niederösterreicherin beteiligt gewesen sein soll: In der Großfeldsiedlung in Wien-Floridsdorf sollen sieben Jugendliche am vergangenen Donnerstag eine 14-Jährige geschlagen und den Vorfall gefilmt haben. Die Mutter erstattete Anzeige.

Frage: Was droht den Jugendlichen?

Antwort: Ab 14 Jahren können Jugendliche strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden. Die vier von der Polizei ausgeforschten Tatverdächtigen sind alle im Alter zwischen 15 und 16 Jahren und wurden wegen schwerer Körperverletzung angezeigt. Gegen die Hauptverdächtige wird zusätzlich wegen Nötigung ermittelt. Sie wurde bei ihrer Einvernahme verhaftet. Laut Staatsanwaltschaft St. Pölten wurde ein Antrag auf Untersuchungshaft gestellt.

Frage: Wie häufig wird bei Jugendlichen Untersuchungshaft verhängt?

Antwort: Die Justiz zieht es vor bei Jugendlichen, wenn möglich eine Untersuchungshaft zu vermeiden. Seit November 2014 setzt man auf die "Sozialnetzkonferenz". Das Modell soll vor allem Minderjährigen unter Einbindung des sozialen Umfelds und der Jugendgerichtshilfe sowie mit engmaschiger Betreuung eines Bewährungshelfers die U-Haft ersparen. Aktuell befinden sich 122 Jugendliche in Haft. Davon warteten 53 Buben und zwei Mädchen auf ihre Hauptverhandlung, sind also in U-Haft.

Frage: Wie hoch ist der Strafrahmen bei Jugendlichen?

Antwort: Die Strafrahmen nach dem Jugendgerichtsgesetz sind in vielen Fällen niedriger als bei Erwachsenen. Im Wesentlichen gilt, dass das Höchstmaß aller angedrohten Freiheits- und Geldstrafen für Jugendliche auf die Hälfte herabgesetzt wird und ein Mindestmaß entfällt. Für eine schwere Körperverletzung sieht das Strafgesetzbuch eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren vor. Bei den Jugendlichen würde die Hälfte als Höchststrafe gelten.

Frage: Gibt es einen Anstieg der Kriminalität unter Jugendlichen?

Antwort: Die Zahl der Tatverdächtigen im Alter von 14 bis 17 Jahren ist 2015 in Österreich um 9,5 Prozent zurückgegangen. Waren es 2014 noch 26.817, gab es im Vorjahr nur 24.257 jugendliche Tatverdächtige – laut einer Anfragebeantwortung des Innenministeriums. In Wien wurde ein Anstieg von rund zwei Prozent verzeichnet. 6.244 Tatverdächtige in diesem Alter wurden in der Hauptstadt registriert. Laut Kriminalitätsstatistik gab es 2015 3.426 Tatverdächtige zwischen 14 und 17 Jahren bei einem Körperverletzungsdelikt.

Frage: Das Video wurde tausendfach geteilt und angesehen. Wieso hat Facebook das Video lange nicht gelöscht?

Antwort: Grundsätzlich kann Facebook nur dann Inhalte überprüfen und entfernen, wenn diese gemeldet werden. Nutzern, die das Video gemeldet haben, teilte das soziale Netzwerk mit, dass der Inhalt nicht gegen die Gemeinschaftsstandards verstoße. "Wenn solche Inhalte aus sadistischem Vergnügen oder zum Zwecke der Gewaltverherrlichung geteilt werden, dann löscht Facebook sie", sagt eine Sprecherin des Unternehmens zum STANDARD. Das Posting des Videos sei aber gegen Gewalt. Erst auf Druck der Staatsanwaltschaft St. Pölten hat Facebook es schließlich entfernt, berichtete die "Zeit im Bild".

Frage: Welche Konsequenzen hat das für Facebook?

Antwort: Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) verwies darauf, dass gegen Facebook bereits Verfahren wegen Verhetzung laufen. Die Löschung von Inhalten könne nur mit einem Verfahren erzwungen werden, die Behörden haben keinen direkten Einfluss auf die Plattform.

Frage: Was kann man tun, wenn man so einen Vorfall beobachtet?

Antwort: Man solle nicht "den Helden spielen", rät die Polizei, sondern den Notruf der Polizei wählen – die auch die Tat strafrechtlich verfolgt. Wenn sich ein Übergriff in den öffentlichen Verkehrsmitteln ereignet, raten die Wiener Linien den Notrufknopf zu drücken. Im Falle der der U-Bahn gibt es Notrufknöpfe auf jedem Bahnsteig. So wird Kontakt zur Leitstelle hergestellt, gleichzeitig werden dort die Bildschirme auf die Kameras am Bahnsteig umgestellt, sagt eine Sprecherin der Wiener Linien. Die Mitarbeiter holen die Einsatzkräfte. (Oona Kroisleitner, Birgit Riegler, 16.11.2016)

Update, 21:30 Uhr: Facebook hat das Video mittlerweile auf Druck der Staatsanwaltschaft gelöscht. Der Artikel wurde entsprechend aktualisiert.