"Der Mozart der Finanz" aus der Provinz möchte der neue Märchenprinz der Franzosen werden.

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Ist es die Ungeduld der Jugend oder ein taktischer Schachzug? Vielleicht beides – auf jeden Fall hat Emmanuel Macron am Mittwoch überraschend, um nicht zu sagen überhastet seine Präsidentschaftskandidatur angekündigt. Der Schritt erfolgt kurz bevor die konservativen Republikaner ihren Bewerber küren – und bevor Macrons politischer Ziehvater François Hollande über seine eigene Kandidatur entscheidet.

Macron wollte sich ursprünglich erst gegen Jahreswechsel outen, um eine genau getimte einjährige Kampagne zu krönen. Im Frühjahr hatte der wirtschaftsliberale Linke – wie er sich selber bezeichnet, ohne Mitglied der Sozialistischen Partei zu sein – bereits die Bewegung "En Marche" (In Bewegung) gegründet; im Sommer trat er als Wirtschaftsminister der Hollande-Regierung zurück. Inzwischen hat er 96.000 eingeschriebene Anhänger und rund drei Millionen Euro Wahlspenden gesammelt; in den Wahlumfragen liegt er bei 15 bis 18 Prozent.

Kein Parteiapparat

Das ist durchaus bemerkenswert für einen Politneuling ohne jeden Parteiapparat – aber noch zu wenig, um neben Favoriten wie der Rechtsextremistin Marine Le Pen und dem gemäßigten Gaullisten Alain Juppé in die Stichwahl einzuziehen. Macron will zum einen Juppé zuvorkommen, der ebenfalls die politische Mitte umwirbt und bei den Vorwahlen der Republikaner ab Sonntag deren Unterstützung erhalten will.

Vor allem aber wollte Macron vor Hollande ins Rennen steigen, um sich mit einem späteren Einstieg nicht dem Vorwurf auszusetzen, er durchkreuze die Kandidatur seines Mentors. Hollande hatte ihn vom Bankwesen in die Politik geholt, weshalb ihn die Zeitung "Le Monde" bereits "Brutus" nennt.

Ringen um Nominierung der Sozialisten im Jänner

Hollande hat damit nicht mehr nur auf der Linken ernsthafte interne Konkurrenten wie Arnaud Montebourg und Jean-Luc Mélenchon, sondern mit Macron auch auf seiner eigenen Rechten. Der Spielraum des unpopulären Staatschefs verengt sich dadurch weiter. Wenn er überhaupt noch antreten wird, kann er nur darauf hoffen, bei der Vorwahl der Sozialisten im Jänner die offizielle Nominierung seiner Partei zu erhalten. Damit könnte er Macron vorwerfen, er spalte mit seiner "wilden" Kandidatur die Linke.

Verzichtet Hollande, wird vermutlich sein Premier Manuel Valls die Fackel der Sozialisten übernehmen. Auch ihm musste Macron zuvorkommen. Das hat er geschafft – doch Culot allein genügt nicht. Macrons Programm bleibt diffus: Linkswähler verscheucht er mit seiner Kritik an der 35-Stunden-Woche, Konservative mit unorthodoxen Vorschlägen wie der Idee, nicht mehr nur entlassenen Angestellten Arbeitslosengeld zu zahlen, sondern auch solchen, die selber kündigen.

"Mozart der Finanz"

Die Franzosen scheinen damit fast überfordert von ihrem "Mozart der Finanz", wie ihn Bewunderer und Gegner – Letztere mit viel Ironie – nennen. Macron, der das politische Blockdenken aufbrechen will, droht selbst zwischen der Rechten und der Linken zerrieben zu werden. Dieses Schicksal erlebten in der französischen Präsidentschaftsgeschichte schon einige hoffnungsvolle Vorgänger wie etwa Jacques Chaban-Delmas.

Das rauere internationale Klima seit der US-Wahl ist dem blauäugigen Charmeur aus der Provinzstadt Amiens ebenfalls nicht förderlich. "Ab sofort wird man die französischen Kandidaten mit schweren Kalibern wie Merkel, Trump oder Putin vergleichen", meint Jérôme Fourquet vom Umfrageinstitut Ifop. "Das Profil eines Neulings ist da weniger gefragt." (Stefan Brändle aus Paris, 16.11.2016)