Hannes Weninger, Ziya Pir, Peter Pilz und Reinhold Lopatka (von links nach rechts) vor dem Gefängnis in Silivri, wo vier HDP-Abgeordnete festgehalten werden.

Foto: Standard

Wien/Istanbul – Mehrere österreichische Parlamentarier sind am Freitag beim Versuch, inhaftierte Abgeordnete der prokurdischen Oppositionspartei HDP zu besuchen, von der Polizei vertrieben worden.

Der grüne Abgeordnete Peter Pilz berichtete im Gespräch mit dem STANDARD von einem Großaufgebot der Polizei, das anrückte, als die österreichische Delegation in Begleitung des HDP-Abgeordneten Ziya Pir vor dem Gefängnis in Silivri in der Nähe von Istanbul eintraf. In Silivri werden die HDP-Abgeordneten Selma Irmak, Leyla Birlik, Nursel Aydoğan und Nihat Akdoğan festgehalten.

Pilz befindet sich seit Freitagvormittag gemeinsam mit den Abgeordneten Hannes Weninger, Harald Troch (beide SPÖ), Reinhold Lopatka (ÖVP) und Hubert Fuchs (FPÖ) anlässlich der am Wochenende stattfindenden Parlamentarischen Versammlung der Nato in Istanbul.

Auch ein Wasserwerfer sei vor dem Gefängniseingang postiert, berichtet Pilz. Bei der Rückfahrt sei die Delegation auf der Autobahn von einem Polizeifahrzeug mit Blaulicht begleitet worden. In Istanbul wollen die Österreicher am späten Nachmittag der "Cumhuriyet"-Redaktion einen Besuch abstatten. Die türkische Regierung hat in den vergangenen Wochen auch führende Mitglieder der Zeitung wie den Herausgeber Akın Atalay einsperren lassen. Chefredakteur Can Dündar ist nach Deutschland geflüchtet.

Bei der Parlamentarischen Versammlung der Nato wollen die österreichischen Vertreter über die von der Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan betriebene Zerstörung der türkischen Demokratie sprechen. Von Abgeordneten anderer Länder sei bereits großes Interesse an einer gemeinsamen Vorgehensweise signalisiert worden, die österreichische Delegation sei die erste, die in der Frage des Umgangs mit der Türkei über die Parteigrenzen hinweg geschlossen auftrete. Pilz spricht sich für wirtschaftliche Sanktionen Österreichs und der EU gegen die Regierung in Ankara aus.

Am Freitagabend stattete die Delegation in Istanbul der Redaktion der regierungskritischen türkischen Zeitung "Cumhuriyet" ("Republik") einen Besuch ab. Zehn Mitarbeiter des Blattes sind in Haft. Journalisten berichteten der österreichischen Delegation über die schlechten Haftbedingungen ihrer Kollegen.

Peter Pilz vor dem Gefängnis in Silivri.

Vor einer Woche hatte die österreichische Parlamentspräsidentin Doris Bures offiziell beim türkischen Justizministerium um eine Besuchserlaubnis für die österreichische Delegation beim HDP-Chef Selahattin Demirtaş angesucht, der Anfang November gemeinsam mit weiteren Politikern seiner Partei verhaftet wurde. Demirtaş wird in einem Hochsicherheitsgefängnis in Edirne festgehalten. Die Türkei reagierte jedoch nicht auf die Anfrage.

Lopatka erklärte in einer Aussendung, wenn Erdoğan Andersdenkende durch Verhaftungen mundtot mache, seien frei gewählte Abgeordnete gefordert, ihre Stimme zu erheben. "Demokratie, Grund- und Menschenrechte sind unverhandelbar. Europa darf sich von Erdoğan nicht erpressen lassen", sagte der ÖVP-Klubobmann.

Weninger erklärte, die Abgeordneten wollten sich vor Ort ein Bild von den Zuständen machen. "Dass dies nicht möglich ist, sehe ich als demokratiepolitischen Skandal. Die Situation in der Türkei stimmt uns nachdenklich." Der SPÖ-Politiker wird am Montag auch an einer Delegation europäischen Sozialdemokraten teilnehmen und erneut versuchen, HDP-Chef Demirtaş zu besuchen. (Michael Vosatka, 18.11.2016)