Die Pipeline lässt die Wogen hoch gehen.

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Wien – Nord Stream heißt das Projekt, das relativ unbemerkt von der Öffentlichkeit derzeit die Wogen in Europa hochgehen lässt. Und es hat einen starken Österreich-Bezug, weil die OMV im Schulterschluss mit anderen gleichgesinnten Unternehmen ein Hauptpromotor des von Russlands Gazprom vorangetriebenen Leitungsprojekts durch die Ostsee ist.

Ein System von Röhren ist bereits verlegt. Durch sie strömt weit weniger Gas als die theoretisch möglichen 55 Mrd. Kubikmeter pro Jahr. Das liegt auch daran, dass die knapp 500 Kilometer lange Ostseepipeline-Anbindungsleitung (Opal) nach Tschechien bisher nur zu 50 Prozent von Gazprom genutzt werden konnte. Der Rest war für andere reserviert.

Ende Oktober konnte Gazprom einen Erfolg verbuchen. Der russische Gasmonopolist darf zusätzliche Gasmengen nach Tschechien und nach Baumgarten an der österreichisch-slowakischen Grenze schicken, sofern keine Buchungen anderer Anbieter vorliegen.

Überkapazitäten

Ein weiterer und wahrscheinlich noch gewichtigerer Grund für die freien Kapazitäten in den bestehenden Leitungen aus Russland ist das Überangebot an Gas. Die Absatzprognosen, die noch vor zehn Jahren steil nach oben zeigten, sind dramatisch flach geworden. Obwohl es Berechnungen zufolge derzeit knapp 100 Mrd. Kubikmeter an freien Kapazitäten in bestehenden Pipelines aus Russland gibt, soll nun eine weitere Röhre gebaut werden – Nord Stream 2, mit der die Kapazität der bestehenden Leitung (Nord Stream 1) auf 110 Mrd. Kubikmeter Gas im Jahr verdoppelt würde.

Insbesondere Polen läuft dagegen Sturm, unterstützt vom Nicht-EU-Mitglied Ukraine. Beide fürchten hohe Ausfälle von Einnahmen in Form von Transitgebühren. Auch das EU-Parlament hat sich kürzlich in einer Resolution gegen den Bau von Nord Stream 2 ausgesprochen. Man befürchte kontraproduktive Auswirkungen auf die Energiesicherheit, die Diversifizierung der Versorgungsquellen und die Solidarität zwischen den Mitgliedsstaaten, hieß es.

Anleihe für Nord Stream

Die OMV, die nach einem Einspruch der polnischen Kartellrichter mit vier weiteren Energiekonzernen Pläne für ein Joint Venture mit Gazprom zum Bau der Pipeline fallengelassen hat, will nun auf Umwegen andocken. Beobachter gehen davon aus, dass OMV und möglicherweise auch Shell, Wintershall, Uniper (Eon) und Engie (GdF Suez) eine Anleihe zeichnen werden, die Nord Stream 2 begibt. Damit wäre die Finanzierung des knapp zehn Milliarden Euro teuren Projekts gesichert. Dass allerdings bereits im Herbst 2019 Gas durch die neue Röhre fließt, wäre eine echte Überraschung. Zu viele Fragen sind noch offen.

Vertreter aus Polen und der Ukraine haben erst am Freitag bei einer Konferenz in Wien davor gewarnt, Russland über den Umweg Gazprom zu viel Einfluss in Europa zu ermöglichen. Moskau habe in der Vergangenheit des Öfteren Gas als politisches Erpressungsmittel eingesetzt und werde nicht scheuen, dies wieder zu tun. (Günther Strobl, 19.11.2016)