Jaakko Blomberg beantwortet die Frage nach seinem Beruf nicht gerne. Nervös rutscht er auf dem Stuhl hin und her, schaut aus dem Fenster. "Meistens sage ich, ich bin Producer. Das klingt irgendwie gut, und die meisten Leute nicken dann nur." Von anderen wird der 32-Jährige als Aktivist, sozialer Innovator oder Stadtmacher bezeichnet. "Ich habe keine langfristigen Pläne. Wenn jemand mit mir zusammenarbeiten will, höre ich zu; wenn ich eine Idee habe, dann mache ich mich an die Arbeit" , sagt Blomberg. "Es ist mehr ein Lebensstil als ein Job."
Ein gefragter Mann
Der junge Mann mit dem blonden Pferdeschwanz hat mittlerweile eine riesige Fangemeinde: In Helsinki will die Stadtregierung mit ihm zusammenarbeiten, politische Parteien umwerben ihn, Unternehmen wie H&M reißen sich um seine Mitarbeit. Wenn er auf Facebook eine neue Veranstaltung ankündigt, kommen die Leute in Scharen, und auch im Ausland ist Blomberg gefragt: Nach Wien kam er vor kurzem auf Einladung der Neos, einen Tag lang sprach er über Aktivismus und Strategien, die Regeln auch in Wien – oder ganz Österreich – auf den Kopf zu stellen.

Mittlerweile kann Blomberg von alldem leben – "irgendwie". Dass er nicht jedes Angebot aus finanzieller Not annehmen muss, sei ihm sehr wichtig, auch wenn am Ende des Monats dann weniger auf dem Konto bleibe. Von den Eltern gibt es keine Unterstützung. Die hätten lieber, dass der Sohn "etwas Richtiges" arbeitet. Dass ein klassischer Nine-to-five-Job in einem Büro nicht zu ihm passt, habe er aber schon lange gewusst, sagt Blomberg. Nach dem Studium jobbte er mal hier, mal da.
Nur nicht um Erlaubnis fragen
Verändert hat sich dann vieles vor vier Jahren. Auf Facebook beschwerte sich eine Frau darüber, dass es keinen Tag im Jahr gebe, an dem man einfach seinen ganzen Krempel loswerden könnte – unkompliziert und ohne sich bei einem Flohmarkt anzumelden und Gebühren zu bezahlen. Ein Freund von Blomberg hatte das Posting geteilt, und so kam die Frau mit Blomberg ins Gespräch. Wenige Tage später stand der Entrümpelungstag fest – und zwar ohne dass Blomberg davor die Genehmigungen von der Stadt eingeholt hätte. Er habe das bewusst ignoriert, sagt er. In Finnland habe Regulierung Tradition, und die Verwaltung spiele eine starke Rolle bei Planung und Kontrolle des Stadtlebens. "Aber die meisten dieser Regeln sind überflüssig", sagt Blomberg. Eine Stadt solle als Ermöglicherin auftreten – beim Entrümpelungstag sei das nicht so gewesen. Zwar ging der Tag ohne Probleme und mit 800 Menschen, die ihre Stände in der ganzen Stadt aufbauten, vorüber. "Aber es war zu Beginn ein Kampf. Die dachten, wir sind nur ein Haufen Hippies."

Heute hört sich das anders an. Der Vizebürgermeister schwärmt, dass Blomberg ein wesentlicher Faktor für viele positive Veränderungen sei, die es in Helsinki in den vergangenen Jahren gegeben habe. Auch Blomberg kann jetzt besser mit ihm: "Wenn ich eine Idee habe, dann schreibe ich einfach eine Facebook-Nachricht. Meistens meldet er sich zurück."
Die Stadt – sein Baukasten
Dazwischen ist einiges passiert, etwa der Sauna Day: Während sich die Finnen früher zum gemeinsamen Schwitzen in öffentlichen Saunen trafen, findet das heute häufig allein in der kleinen Kabine im Garten statt. Schade, dachte sich Blomberg und fand 50 Leute, die ihre privaten Saunen für Wildfremde öffneten und gemeinsam schwitzten. Die Förderung des zwischenmenschlichen Kontakts war auch für die Wohnzimmerveranstaltungen, bei denen Ausstellungen oder Theaterstücke in Wohnungen stattfinden, das Motiv. Und beim "Dinner under the Helsinki Sky" trafen sich mehr als 1000 Menschen zum Essen an einem langen Tisch, der sich durch die Innenstadt zog.

Eine persönliche Agenda habe er nicht, sagt Blomberg. "Ich gehe durch die Stadt und sehe etwas, das mich stört. Ich kann das nicht vergessen, sondern muss sofort etwas ändern." Blomberg bastelt gerne, und die Stadt ist sein Baukasten. Mit Abwarten kann er nichts anfangen: "Viele Menschen denken, dass sich schon jemand kümmern wird. Aber das ist meistens nicht so." Einer Menge Leute sei das vor allem im letzten Jahr bewusst geworden, als sie sich für geflüchtete Menschen engagierten. "Hier wurde offensichtlich, dass sich niemand kümmert, wenn man nicht selbst aufsteht."
Diese Energie und der Stolz, selbst angepackt zu haben, das solle aber auch abseits von Krisenzeiten möglich sein, wünscht sich Blomberg. Was zu tun ist, wisse jeder selbst am besten. Sein Rat: "Sich nur nicht entmutigen lassen, gleich anfangen und nur nicht um Erlaubnis fragen." Denn es gibt noch eine weitere Einstellung, der Blomberg nichts abgewinnen kann: "Das bringt doch nichts." (lhag, 20.11.2016)