
Liebespaar in der Wanne: Julia Gräfner und Raphael Muff.
Graz – Ein Mädchen (Johanna Marauschek) eröffnet das Stück, sie spricht, wirft mit Dartpfeilen, die als Mohnblumen getarnt sind, und man hofft auf einen guten Abend. Doch die Hoffnung stirbt hier nicht zuletzt, sondern lange bevor Romeo und Julia nach drei teils lähmenden Stunden das Zeitliche segnen dürfen. Die junge Britin Lily Sykes, zuletzt mit Cactus Land am Grazer Schauspielhaus, kehrte zurück, um eines der bekanntesten Stücke der Theatergeschichte in Szene zu setzen.
Sie brachte jede Menge Ideen nach Verona, die jede für sich interessant waren, aber nicht zueinanderfanden oder halbherzig umgesetzt wurden. Da wird etwa Mercutio zur Frau. Schöner Einfall, der in der Übersetzung von Frank-Patrick Steckel auch seine logischen Momente hat. Doch Henriette Blumenau und Nico Link, der den Benvolio gibt, flirten und posieren wie Jugendliche, die sich Drehbuchautoren einer schlechten Vorabendserie ausgedacht haben.
Rotzfreches Mädchen
Man wartet auf Julia, und sie kommt in Gestalt der vielversprechenden Julia Gräfner, die ihre Rolle am konsequentesten durch den Abend schleppt. Ihre Julia ist ein rotzfreches Mädchen, das man ihr abnimmt. Nur die Liebe, die sie und Romeo, den Raphael Muff optisch als Julian-Assange-Verschnitt blass spielt, empfinden, nimmt man ihnen nicht ab.
Es ist immerhin eine Liebe, die beide so erwischt, dass sie bereit sind, dafür ihr Leben zu riskieren. Doch zwischen Badewanne, die immer wieder auftaucht und auch das Ehebett ersetzt, und düsteren Räumen, die an eine sterile 1980er-Disco (Bühne: Jelena Nagorni) erinnern, treiben sie dem Tod fast beiläufig entgegen.
Lerche oder Nachtigall?
Ein Trost ist der Frauenchor, der als vielköpfige Amme unheilvolle Lieder anstimmt. Auch Franz Solars cholerischer Vater Capulet ist ein Lichtblick. Warum Solar, wenn er in die Kutte des Mönchs Lorenzo schlüpft, mit Babett Arens, die auch Mutter Capulet spielt, eine "Lorenzina" zur Seite gestellt wird, ist aber auch nicht nachvollziehbar. Die Lerche oder die Nachtigall zwitschern nur vom Band, als Zitat wurden sie gestrichen, was verkraftbar ist. Dafür überlappen sich die kurzen Leben von Romeo und Julia in der Gruft – anders als in der Vorlage – noch kurz, was aber nur das Sterben unnötig in die Länge zieht.
Am Ende werden auch Romeo und Julia, wie die Getöteten vor ihnen, von dem jungen Mädchen vom Beginn in einen an eine Infrarotkabine erinnernden Raum geholt. Dessen Türe schließt sich, man bleibt mit Fragen müde zurück. Und mit zwei Antworten: Liebe ist kein Wannenbad und der Tod kein schüchternes junges Mädchen. (Colette M. Schmidt, 21.11.2016)