Port-au-Prince – Schicksalswahl in Amerikas Armenhaus: Nachdem die Abstimmung mehrfach verschoben wurde, haben die Haitianer einen neuen Präsidenten gewählt. Auf den neuen Staatschef kommen gewaltige Herausforderungen zu. Haiti leidet unter bitterer Armut, Gewalt und Korruption.

Erst vor wenigen Wochen zog der Hurrikan "Matthew" über den Karibikstaat hinweg. Hunderte Menschen kamen ums Leben, Tausende Häuser wurden zerstört.

"Wir haben durch den Hurrikan alles verloren. Wir haben zwar ein bisschen Hilfe erhalten, aber jetzt brauchen wir Anführer", sagte Dieutene Raymond im französischen Radiosender RFI. "Deshalb gehe ich wählen."

Die Abstimmung sei ruhig verlaufen, sagte der Leiter der Beobachtungsmission der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS), Juan Raul Ferreira, am Sonntag. Es habe lediglich vereinzelte Zwischenfälle gegeben. "Das war ein erfolgreicher Wahltag", sagte Interimspräsident Jocelerme Privert.

43 Menschen wurden im Laufe des Tages festgenommen, unter anderem wegen tätlicher Angriffe und illegalen Waffenbesitzes, wie der Leiter des Wahlamts, Leopold Berlanger, sagte. Nahe der Präsidentenresidenz wurden Augenzeugen zufolge mehrere Schüsse abgefeuert.

Nach Angaben der Wahlbehörde war die Beteiligung recht hoch. Genaue Zahlen lagen allerdings noch nicht vor. Unabhängige Beobachter und Journalisten hingegen berichteten von geringer Wahlbeteiligung.

Das Ergebnis der ersten Wahlrunde wird erst Ende November feststehen. Sollte in der ersten Runde keiner der 27 Kandidaten die absolute Mehrheit erreichen, findet im kommenden Jänner eine Stichwahl statt.

Der völlig verarmte Karibikstaat leidet unter einer politischen Dauerkrise. Die Wahl 2015 war wegen Manipulationsvorwürfen annulliert worden. EU und OAS hielten die Wahl hingegen für grundsätzlich frei und fair. Sie vermuteten, dass die Opposition mit ihren Protesten das für sie ungünstige Ergebnis kippen wollte.

Seit der Staatschef Michel Martelly im Februar ohne gewählten Nachfolger aus dem Amt schied, regiert Übergangspräsident Privert das Land. "Wir befinden uns in einer politischen Krise", sagte Launes Delmazin. "Wir brauchen eine gewählte Regierung, die uns aus dieser Situation herausholt." Der Bauer Luc Albert Jean-Claude sagte: "Haiti ist zerstört. Wir wollen, dass das Land wieder zur Normalität zurückkehrt."

Haiti ist das ärmste Land der westlichen Hemisphäre. Drei Viertel der Bevölkerung leben von weniger als zwei Dollar am Tag. "Diese Wahl ist sehr wichtig für die politische Stabilität in Haiti", sagte Interimspräsident Privert. Seit dem schweren Erdbeben 2010 ist das Land von internationaler Entwicklungshilfe abhängig.

27 Kandidaten bewarben sich am Sonntag um das höchste Staatsamt. Wer das Rennen macht, ist völlig unklar. Die Umfragen vor der Wahl kam zu völlig unterschiedlichen Ergebnissen. Gute Chancen haben aber offenbar der vermögende Agrarunternehmer Jovenel Moise, der erfahrene Politiker Jude Celestin von der Partei Lapeh und die Ärztin Maryse Narcisse. (APA, 21.11.2016)