Wenn am Freitag die Fortsetzung der "Gilmore Girls" online geht, werden auch Menschen aus dem STANDARD-Universum vor ihren bevorzugten Endgeräten sitzen, beim Vorspann mitsingen oder auf den ersten Schnee in Stars Hollow warten. Oder darauf, dass Lane endlich kriegt, was ihr zusteht, und Kirk Antworten auf die Fragen des Lebens gibt. Irgendwer wird aber auch sicher nicht einschalten. Wer das ist, steht unten.

Gilmore Girls und Luke looking at things. Am Freitag dürfen wir mitschauen.
Foto: Saeed Adyani/Netflix

Sebastian Fellner, Redakteur Innenpolitik/Etat: Kuscheldecke auf der Couch

La la. La la. Laaahaaa. Haben Sie’s erkannt? Fühlen Sie sich zurückversetzt in die frühen 2000er-Jahre, die uns heute dank selektiver Erinnerung so wohlig-warm und einfach erscheinen? Falls nicht, liegt es nur daran, dass die Texte von Sam Phillips' La-la-Songs wenig aussagekräftig sind.

Aber mit der akustischen Gitarre im Hintergrund und Sam Phillips‘ Gesang garantieren die sanften Las den "Gilmore Girls"-Flashback-Kick – zumindest den Fans der ersten Stunde.

Akustische Reize triggern Erinnerungen viel stärker als optische. Probieren Sie es aus (wenn Sie die "Gilmore Girls" mögen): mit der Kuscheldecke auf die Couch, Augen zu und La-la. Instantglück! Die La-la-Songs hüllen uns in Wohlbefinden, wenn die Welt kompliziert ist.

Lisa Breit, Redakteurin Karriere: Lebensberatung mit Kirk

Vergesst die angepasste Rory, die nervige Lorelai, vergesst den mürrischen Luke, den langweiligen Dean, die engstirnige Großmutter Emily und die zwängliche Paris. Der wirkliche Star der Show ist Antiheld Kirk (angeblich inspiriert von Drehbuchautorin Amy Sherman-Palladinos Vater, dem Comedian Don Sherman). Kirk lebt zunächst bei seiner Mutter, die ihm einen Haustürschlüssel verweigert, dann in einem atombombensicheren Bunker und später in Lukes Boot. Er benennt Haustiere nach sich selbst und hatte eine Zeit lang eine imaginäre Freundin – "aber sie hat mich verlassen".

Auf der Suche nach seiner wahren Leidenschaft hat Kirk sich zudem bereits in so ziemlich jedem Job versucht – 62 sollen es insgesamt gewesen sein. Darunter Postbote, Fotograf, Mechaniker, Fahrradtaxifahrer, Hundesitter, Sprecher bei einem Eishockey-Spiel, DJ, Sargträger, Spion und Kammerjäger. In Staffel fünf verteilte Kirk als überdimensionierter Hot Dog Flyer. In Staffel sechs performte er, sich auf der Bühne räkelnd, die Menschwerdung: die beste "Girlmore Girls"-Szene überhaupt! Seit kurzem ist Kirk – laut der Webseite von Stars Hollow, die Netflix anlässlich des Coming-back eingerichtet hat – nun Lebensberater. "Life advice from a man who's done it all", heißt es da. Via E-Mail kann man Kirk um Rat fragen. Eine Antwort ist er bisher allerdings schuldig geblieben. Vielleicht versucht sich Kirk ja schon wieder in einer neuen Profession. Ich freue mich darauf, ihm dabei zuzusehen.

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Ist Rory eine nervige Streberin, die es allen recht machen will? Oder doch eine kluge, selbstständige, humorvolle junge Frau? Die Meinungen gehen auseinander.
Foto: Saeed Adyani/Netflix via AP

Stefanie Ruep, Redakteurin Panorama: Powerfrauen ohne Händchen fürs Handwerkliche

Ich liebe die "Gilmore Girls". Das Powerfrauenduo Lorelai und Rory hat mich lange Zeit begleitet, und ich habe mir selbstverständlich vor dem vierteiligen Revival erneut die komplette Serie reingezogen. Lorelai ist eine klasse Mutter und erinnert mich an meine eigene Mama. Sie meistert alle Schwierigkeiten, steht selbstbestimmt im Leben und zeigt, dass man alles schaffen kann. Rory ist klug und verfolgt ihren Berufswunsch mit Ehrgeiz, trotz ein paar Ausrutschern und Rückschlägen. Die beiden geben nicht nur Bullshit von sich, sondern sind in ihren schnellen Dialogen witzig, schlagfertig, tough, und ihre popkulturellen Anspielungen sind wunderbar treffend.

Und trotzdem ärgern sie mich manchmal: Fürs Handwerkliche braucht Lorelai noch immer einen Mann – das hätte sie als alleinerziehende Mutter doch schon längst gelernt. Und Rory nervt einfach nur in ihrer reaktionären Phase, in der sie die reiche Enkelin und hübsche Püppchenfreundin gibt.

Zur Frage aller Frage: Wer ist der Richtige für Rory? Für Lorelai gibt es meiner Meinung nach eh nur einen, und der heißt Luke! Ein gespaltenes Verhältnis habe ich zu Logan: Er ist ein zu großer Schnösel, ein klassischer Fall von Sohn – aber auch abenteuerlustig und manchmal ein Gentleman. Dean ist der Falsche für sie, viel zu anhänglich und einfältig. Bleibt nur noch Jess. Der verschrobene Schriftstellertyp passt meines Erachtens am besten. Oder ganz ein Neuer? Wir werden es sehen.

Luke und Lorelai. Okay. Und Rory und wer? Jess, Logan oder Dean? Oder Rory und jemand ganz anderes? Oder Rory und niemand?
Foto: Saeed Adyani/Netflix

Colette M. Schmidt, Redakteurin Panorama: Lorelais Tabubruch, Lichterketten und Schnee

Ganz besonders aus dem "Gilmore Girls"-Universum mag ich Lorelai. Sie ist, zumindest für die konservative nordamerikanische Familie, aus der sie kommt, unkonventionell. Sie hat die Regeln gebrochen – ein Tabu sogar –, als sie mit 16 schwanger wurde. Während das in anderen amerikanischen Serien oder Filmen lange der Beginn eines Sozialdramas gewesen wäre, beweist Lorelai, dass sie es besser kann. Besser als ihre eigenen Eltern. Weil sie echt ist. Sie liebt ihr Kind, anstatt es als Statussymbol zu sehen, sie liebt Literatur, anstatt sie nur auswendig zu lernen. Sie hat eine kluge, mitfühlende Tochter erzogen, zu der sie ein freundschaftliches Verhältnis hat, nicht ohne dabei auch die liebevolle mütterliche Stütze zu sein, die Rory braucht. Ihre eigenen Eltern haben alle Konventionen erfolgreich erfüllt, mit dem Resultat, dass sie eine völlig verkorkste Beziehung zu ihrer Tochter haben. Das Elternhaus wirkt wie ein Museum. In das Haus von Lorelai aber möchte man einziehen: Hier wohnen Liebe, Kreativität und Geborgenheit.

Außerdem mag Lorelai Lichterketten. Wer Lichterketten mag, kann kein schlechter Mensch sein. Und sie liebt Kaffee und Schnee, den sie schon einen Tag, bevor er fällt, riechen kann. Sie ist im Herzen auch ein Kind geblieben. Ein verantwortungsvolles Kind, aber ein Kind. Auf ihre Couch will man sich mit einer heißen Schokolade mit Marshmallows unter die rosa Wolldecke zurückziehen, um alte Filme zu schauen.

Anya Antonius, Community Management: Gerechtigkeit für Lane!

Das "Gilmore Girls"-Universum ist nahezu perfekt. Die meisten leben ein glückliches Leben, beschäftigen sich mit interessanten Dingen, verwirklichen ihre Träume, haben Beziehungen und Freundschaften. Harte Arbeit zahlt sich aus, auf schwere Zeiten folgt Sonnenschein. Und dann gibt es noch Lane. Sicher, sie ist die beste Freundin der nahezu perfekten Rory, lebt im nahezu perfekten Stars Hollow und spielt Schlagzeug in der Band Hep Alien.

Und doch, sie ist in meinen Augen eine tragische Figur. Jahrelang führt sie ein Doppelleben, um es ihrer streng religiösen Mutter recht zu machen und gleichzeitig so etwas wie Individualität zu bewahren. Heimliche Beziehungen, heimliches Bandleben folgen, fliegen auf, alle Karten liegen auf dem Tisch, und man denkt sich – JA! Es hat sich gelohnt, mit ihr zu leiden, ihre Loyalität, ihre innere Stärke zahlen sich aus, jetzt wird sie vom Schicksal belohnt. Und was passiert? Mama organisiert der Band eine fade Kirchentour, die Band vergeigt dank des Unsympathlers Zach die einzige Chance auf Erfolg, sie heiratet diesen Unsympathler auch noch, hat einmal miesen Sex und zack – Zwillinge! Immerhin kann Zach jetzt auf Tour gehen, während sie daheim bei den Babys sitzt und Rory mit Barack Obama auf Wahlkampftour geht. Darum mein Wunsch für die Fortsetzung: Gerechtigkeit für Lane, eine der allercoolsten Einwohnerinnen von Stars Hollow!!

Anne Feldkamp, Redakteurin RONDO: Zweite Chance für Quasselstrippen

Ich gebe zu: Damals, als die "Gilmore Girls" liefen, haben sie mich kein bisschen interessiert. Das Kleinstadtidyll von Stars Hollow, diese niedliche, streberhafte Protagonistin, die einfach alles richtig macht und eine innige Quasselbeziehung mit ihrer Mutter führt – kein Bedarf. Eine Folge lang habe ich Rory und Lorelai beim Filterkaffeetrinken zugesehen. Welche das war? Keine Ahnung. Vielleicht hätte ich damals etwas länger durchhalten sollen. Denn dann hätte ich Lane entdeckt, Rorys Freundin, die es nicht ganz so einfach hatte mit ihrer Mutter. Und die wie ich damals Belle and Sebastian hörte. Das habe ich aber erst in den letzten Wochen erfahren. Denn seither hole ich nach, lebe dank Netflix an jedem freien Abend in Stars Hollow – freiwillig! Eine zweite Chance haben die Gilmore-Quasselstrippen verdient. Allerdings, der anfänglichen Neugierde folgten ein Koffeinschock und die Ernüchterung, in Staffel drei der Kleinstadtkoller. Heute Abend habe ich mich dabei ertappt, den Trailer genervt zu überspielen. Vielversprechend hingegen erscheinen mir die straffen Werbeposter zur neuen Staffel. Vielleicht erklärt Lorelai Gilmore ja jetzt, warum Frauen Ende vierzig in Stars Hollow schon zu Botox greifen müssen.

Pop-Tarts, Lichterketten und irgendwas mit Medien.
Foto: Saeed Adyani/Netflix

Alina Luca Huster, Community Management: Erwachsen werden auf Mamas Couch

Vor zehn Jahren war es so weit: die letzte Folge der "Gilmore Girls" – das Ende meiner Jugendserie. Eine unglaublich kluge Tochter und eine unglaublich redselige Mutter, die zu Marshmallow-Lipgloss, Literatur, Junkfood, Männern und einfach allem unglaublich viele Worte finden und in der idyllischen amerikanischen Kleinstadt, heute für mich Kleinstadthölle, Stars Hollow leben. Rory, die anfänglich noch schüchtern war und in die trotzdem so viele Jungs verliebt waren, um die sich fast alle Eliteuniversitäten rissen und die schlussendlich Barack Obama auf seiner Kampagnentour begleitete, versetzte mich pubertierendes Mädchen in den Glauben, so könne das Leben in ein paar Jahren aussehen.

Heute, zehn Jahre später, die letzten vier Folgen vor dem – aber wirklich – endgültigen Ende einer Ära, sind wir erwachsen geworden. Was ist bei den "Gilmore Girls" geschehen? Und das Wichtigste – was ist mit Jess passiert? Vielleicht versetzen mich die neuen Folgen wieder zurück auf die Couch meiner Mama, vielleicht schaue ich sie aber auch auf der Couch meiner Mama – einfach nur, um noch einmal Teenie zu sein, denn bald ist sie endgültig vorbei: meine Jugend(serie).

Marie-Theres Egyed, Redakteurin Innenpolitik: #TeamEmily

Emily Gilmore altert nicht. Sie hat nie Geburtstag, sie mag keine Exzesse, alles muss nach Plan laufen. In Emilys Welt lösen Partys und Dinners Probleme. Die Großmutter war der Bösewicht der so braven Vorstadtwelt, doch sie sorgt vor allem für Unterhaltung. Sie ist Ehefrau, Mutter und Großmutter, sie will nicht mit ihrer Tochter befreundet sein, sondern erwartet ein funktionierendes Mutter-Tochter-Verhältnis. Und wenn sie das mit dem wöchentlichen Freitagsdinner erzwingen will.

So weit, so langweilig – im Gegensatz zu Tochter Lorelai, die nur so vor Unkonventionalität sprühen soll, wie auch zu Enkelin Rory, die es den konservativen Großeltern, aber auch ihrer Mutter immer recht machen will.

Doch das älteste Gilmore Girl kann mehr: Sie manipulierte die Beziehung zwischen Lorelai und Luke, sie unterstützte Rory, als diese sich eine Auszeit vom Studium nahm. Dennoch ist die Matriarchin mit Abstand der originellste Charakter der Serie. Sie leidet nicht an Sprechdurchfall wie die anderen beiden Girls. Wenn Emily etwas sagt, sitzt es – punktgenau. Ob Stilweisheiten, Zurechtweisungen, Beleidigungen oder Befehle, die Perfektionistin hat bis nach Stars Hollow das Sagen, und nicht selten fügt sich Lorelai ihrer Mutter. Sie will für ihre Mädels nur das Beste und sieht aber nicht immer ein, dass die beiden eigene Vorstellungen davon haben. Dass Luke nett, aber langweilig ist, weiß Emily von Anfang an, dass Rory besser im nahen Yale als im weiter entfernten Harvard studieren soll, ist für die Großmutter auch schnell klar. Für Emily kommt die Familie immer zuerst, auch wenn sie dafür enge Freunde zurechtweist.

Warum sie trotzdem der beste Charakter ist? Ohne Emilys vorwurfsvolles "Lorelai!" wäre die Stars-Hollow-Idylle unerträglich langweilig, und in manchen Dingen hat sie recht behalten: Jogginghosen, die das Wort "Juicy" auf der Rückseite über dem Hintern stehen haben, waren auch bei Lorelai stillos.

Žarko Janković, Community Management: Ein fassungslos machendes Idyll

Lange musste ich darüber nachdenken, wieso ich unzählige Stunden meiner Schulzeit damit verbrachte, mit meinen Kolleginnen und Kollegen über diese Serie zu fachsimpeln. Eine Serie, deren Idyll jeden Menschen, nicht nur grantige Wiener, fassungslos machen muss. In einem Städtchen, durch dessen Straßen eigentlich Barbie und Ken in einem rosa Wagen geschoben werden sollten. Von einer Sechsjährigen.

Es gibt einen Ort auf dieser Welt, in dem man ausnahmslos jede einzelne Person zum Feind haben möchte – Stars Hollow ist dieser Ort. Sogar den Burschen mit der schönen Frisur und der Lederjacke. Die böseste und gemeinste Person dieser Serie ist eine besonders strenge koreanische Mutter. Ein ethnisches Klischee also, weil es reicht nicht, einfach nur schlecht zu sein.

Was man der Serie zugute halten muss, ist die – wenn auch maßlos übertriebene – Darstellung der Auswirkungen von dauerhaftem Amphetaminkonsum auf die verbale Kommunikationsfähigkeit. Was ich meine? Rhabarber, Rhabarber, Rhabarber, Rhabarber, Rhabarber, Rhabarber, Rhabarber. Ohne. Punkt. Und. Komma. (red, 23.11.2016)