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Expräsident Mohammed Morsi bei einem Prozess im Sommer 2015.

Foto: REUTERS/Amr Abdallah Dalsh

Das ägyptische Kassationsgericht hat am Dienstag eine lebenslange Haftstrafe gegen Expräsident Mohammed Morsi aufgehoben. Im Prozess um Spionage zugunsten der palästinensischen Hamas und der vom Iran unterstützten libanesischen Hisbollah-Miliz hat der Gerichtshof zudem mehrere Todesurteile gegen Spitzen der Muslimbrüder, darunter ihren Obersten Führer Mohammed Badie, annulliert.

Das Verfahren wird jetzt neu aufgerollt. Als Begründung gab der Richter Formfehler an. Wortgleich hatte dasselbe Gericht vor einer Woche das Todesurteil einer ersten Instanz gegen Morsi einkassiert. Damit ist die Todesstrafe für ihn vorerst vom Tisch. Der 65-Jährige bleibt aber weiter im Gefängnis. Ein erstes Urteil wegen Anstiftung zu Gewalt mit einer Strafe von 20 Jahren Haft ist seit Ende Oktober rechtskräftig.

Die Gerichtsverfahren gegen die im Sommer 2013 entmachteten Islamisten sind politische Prozesse, wie internationale Menschenrechtsorganisationen immer wieder bestätigen. Ein halbes Dutzend der wichtigsten Verfahren gegen die Führungsriege ist nun fast gleichzeitig vor dem obersten Berufungsgericht. Morsi ist für das neue Regime von Präsident Abdelfattah al-Sisi ein heikler Gefangener. Die Exekution des durch die Armee gestürzten, demokratisch gewählten Präsidenten hätte unabsehbare internationale Konsequenzen. Im Inland würde wohl der Tod durch den Strang für den Obersten Führer Badie für den größten Aufruhr sorgen.

Das Regime hat deshalb ein Interesse daran, dass die Verfahren nicht für großes Aufsehen sorgen und in der Schwebe bleiben – dass also keine Todesurteile vollstreckt werden müssen, dass aber auch keine Freisprüche erfolgen und damit die obersten Kader der Muslimbrüder so lange in Haft bleiben, bis eine politische Lösung gefunden ist.

Unmögliche Versöhnung

Über einen solchen Ansatz hat am Dienstag die unabhängige Tageszeitung al-Shorouq auf ihrer Website berichtet. Versöhnung mit der Islamistenpartei ist im gegenwärtigen gesellschaftlichen Klima in Ägypten ausgeschlossen. Deshalb werde nach diesen Informationen von Muslimbrüdern, die nach der blutigen Auflösung der Morsi-Protestcamps in Saudi-Arabien Zuflucht gesucht haben, eine Formel unter dem Titel "Schlichtungsabkommen" angestrengt. Ihm zufolge würden die Muslimbrüder für fünf Jahre ihre politischen Aktionen als Partei einfrieren und nichts gegen die Regierung unternehmen, sie aber auch nicht offiziell anerkennen.

Als Gegenleistung würden ihre Gefangenen freigelassen, und diejenigen, die ins Ausland geflüchtet sind, könnten in ihre Heimat zurückkehren.

Ein solches Abkommen hätte für beide Seiten Vorteile. Es würde das Image der Regierung verbessern. Die Unterdrückung der Bewegung kostet den Staat zudem sehr viel Geld und belastet die Wirtschaft. Die Muslimbrüder ihrerseits könnten sich neu organisieren und die notwendigen internen Reformen durchführen. (Astrid Frefel aus Kairo, 23.11.2016)